An dem Bielefelder Bethel Krankenhaus werden deutschlandweit die meisten Asthma-Patienten behandelt. Prof. Hamelmann ist hier Chefarzt. ©Evangelisches Klinikum Bethel Bielefeld

Prof. Dr. Hamelmann arbeitet als Chefarzt an der Kinderklinik des Evangelischen Klinikums Bethel in Bielefeld. Deutschlandweit werden hier die meisten Patienten mit Asthma bronchiale behandelt.

Aber nicht nur über Patientenerfahrung verfügt Prof. Hamelmann, er ist auch Autor und Koautor der Nationalen Versorgungsleitlinie, in der u.a. festgelegt wird, welche Medikamente bei Asthma verabreicht werden sollten.

Klinik Kompass: Asthma ist gerade bei Kindern und Jugendlichen weit verbreitet. Wie kommt es zu dieser Entwicklung?

Prof. Dr. med. Hamelmann: Grundsätzlich sind allergische Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Asthma ist eine der zwei, drei häufigsten chronischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Die neueste KIGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts zeigt, dass 4 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren an Asthma leidet. Wir sind also auf einem hohen Niveau angekommen.
Obwohl auch die Anzahl von stationär aufgenommen Patienten größer werden, ist Asthma eigentlich kein stationäres, sondern ein ambulantes Problem. Wir behandeln Asthma überwiegend im ambulanten Setting, nur dann, wenn es bei Asthma-Patienten zu schweren Problemen kommt, werden die Patienten stationär aufgenommen. Das ist in der Regel bei Patienten in Kombination mit Infekten der Fall. Bei größeren Kindern kann eine Aufnahme aufgrund einer allergischen Reaktion oder im Rahmen einer Nahrungsmittelallergie plus Asthma auftreten.

Klinik Kompass: Welches technische Equipment nutzen Sie in Ihrem Haus?

Prof. Dr. med. Hamelmann: Mitarbeiter, die Asthma-Schulungen und Inhalations-Schulungen machen können, sind das eigentliche A und O bei einer Asthma-Betreuung. Denn wenn man den Kindern und Eltern nicht richtig zeigt, wie Sie inhalieren sollen, dann verläuft eine Therapie nicht erfolgreich. Deshalb sind alle Ärzte bei uns optimal geschult. Was die Technik angeht, ist für eine Versorgung von Asthma-Patienten eine vernünftige Lungenfunktionsdiagnostik notwendig, das heißt man muss einen Bodyplethysmographenhaben, mit den man die Lungenfunktion komplett abbilden kann. Dann brauchen Sie Vorhaltungen für eine Belastungsprüfung, entweder ein Fahrrad-Ergometer oder ein Laufband, damit Sie die Patienten belastet kriegen für eine Lungenfunktionunterbelastung. Es wäre wichtig, wenn Sie eine komplette allergologische Diagnostik angeschlossen haben, in jedem Fall müssen Sie entsprechende Hauttestungen machen können, zusätzlich sollten sie ein Allergie-Labor ansteuern können, um eine molekulare Allergiediagnostik vorzuhalten. Wichtig für die Differenzialdiagnose ist auch, dass Sie einen Schweißtest anbieten können und zwar mit einer Chlorid-Messung, um sicher eine zystische Fibrose auszuschließen bei Patienten mit häufigen Bronchitiden/ Pneumonien. Für diese Patienten ist auch der Ausschluss von Immundefekten als Ursache der gehäuften Infekte wichtig. Was außerdem notwendig ist, ist eine Bildgebung. Sie müssen zumindest einen Röntgen-Thorax anbieten können, bei schwierigen Patienten müssen Sie auch in der Lage sein, CT-Thorax durchzuführen. Zukünftig wird das MRT für chronische Lungenerkrankungen einen höheren Stellenwert bekommen, weil es keine Strahlenbelastung hat und deshalb eine jährliche Verlaufskontrolle ohne Strahlenbelastung ermöglicht.

Klinik Kompass: Sie sind auch Autor und Koautor der nationalen Leitlinien zu Asthma und Asthmaprävention. Was können Sie zu Präparaten für Asthma-Patienten sagen? Welche Medikation könnte in Zukunft interessant werden?

Prof. Dr. med. Hamelmann: Wir behandeln nach den Richtlinien der Nationalen Versorgungsleitlinie. Wichtigstes Therapieprinzip ist eine antientzündliche Therapie mit inhalativen Steroididen als Basistherapie und für den Bedarfsfall ein rasch-wirksamer Bronchodilatator, in der Regel Salbutamol. Was neu dazugekommen ist, ist ein langwirksamer Muskarinrezeptor-Antagonist, das Tiotropium, das darf man nennen, weil es das einzige ist, was in dieser Klasse angeboten wird. Das ist ganz frisch zugelassen worden für Kinder ab sechs Jahren mit schwierigem Asthma und schlechter Asthma-Kontrolle. Und dann haben wir für kleine Patienten ab 6 Jahren und Jugendliche mit einem schweren, allergischen Asthma noch das anti-IgE, das Omalizumab als Biologikum als Medikament für die höchste Behandlungsstufe im Angebot.

Klinik Kompass: Welche Maßnahmen jenseits der medizinischen Infrastruktur und der Arzneimittel werden bei der Behandlung von stationären Asthma-Patienten in Zukunft wichtiger werden?

Prof. Dr. med. Hamelmann: Weit voraus geschaut, in 10 bis 20 Jahren, werden wir Asthma anders behandeln als jetzt. Zukünftig werden wir versuchen, den Asthma-Patienten früher zu phänotypisieren, das heißt festzustellen, was für eine Art Asthma er hat. Ist es ein Asthma aufgrund von Infekten, ist es ein Asthma aufgrund von Allergien oder Übergewicht, u.s.w., und werden dann entsprechend dieser Einteilung der Patienten in die verschiedenen Asthma-Untertypen eine gezieltere Therapie auswählen können. Chronisches, schweres Asthma wird im Erwachsenenalter zu einer Limitation der Lungenfunktion führen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in COPD übergeht. Insofern haben diese Patienten schlechte Aussichten, wenn sie bereits im Kindesalter chronisches Asthma aufweisen. Das müssen wir in Zukunft frühzeitiger verhindern.

Klinik Kompass: Herr Prof. Hamelmann, vielen Dank für das Gespräch! 

Seit 2014 ist Prof. Hamelmann Chefarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Kinderzentrum Bethel des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld. Als Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und Autor/Koautor der nationalen Leitlinien zu Asthma (NVL) und Asthmaprävention (AWMF) ist er ein international anerkannter Fachmann für Allergien und Asthma.