Spinalkanalstenose
©agenturfotografin/Adobe Stock

Die Wirbelsäule ist das zentrale Tragelement des menschlichen Körpers. Sie ermöglicht den aufrechten Gang und besteht aus insgesamt 33-34 Einzelelementen, den Wirbeln. Die Wirbel bilden zusätzlich eine knöcherne Hüllstruktur, den Wirbelkanal, und schützen so das innen liegende Rückenmark. Das Rückenmark selbst ist der Ursprungsort von Nerven, die es uns ermöglichen u.a. unsere Beine und Arme zu bewegen. Bei einer Spinalkanalstenose schützen die Wirbel nicht mehr das Rückenmark, sondern engen es ein und lösen so Schmerzen aus.

Im folgenden Beitrag wird auf die genaue Ursachen, der Diagnostik und Therapiemöglichkeiten einer Spinalkanalstenose eingegangen.

Was führt zu einer Spinalkanalstenose?

Innerhalb der Zwischenwirbelscheiben befindet sich eine Art Kissen mit einer geleeartigen Flüssigkeit. Das Besondere an diesem Bandscheibenkern ist, dass es Stöße und Druck abfedert und so der Wirbelsäule Last abnimmt. Aber mit der Zeit wird diese Flüssigkeit weniger und der Körper kann ihn nur in einem sehr geringen Umfang neu bilden (regenerieren). So kommt es, dass die Wirbelsäule nun mit jedem Schritt mehr Druck, mehr Stöße und mehr Belastung aushalten muss.

Der Wirbelkörper reagiert auf diese vermehrte Belastung mit der Bildung von zusätzlichen Knochenrändern (Osteophyten) und vergrößert so seine Oberfläche und stabilisiert die Gelenkverbindung zu den benachbarten Wirbelkörpern. Diese Knochenränder wachsen auch in den Spinalkanal hinein, der jedoch frei bleiben muss für das Rückenmark und die austretenden Nerven. So kommt es, dass der Wirbelkanal oder Spinalkanal in seinem Durchmesser abnimmt und die neu gebildeten Knochenstrukturen auf das Rückenmark drücken. Dann leiden Menschen unter der sogenannten Spinalkanalstenose, auch Wirbelkanalstenose genannt.

Der Spinalkanal kann aber auch ohnehin schon seit der Geburt verengt sein. In einigen Fällen kann die Spinalkanalstenose auch akut sein. Wenn ein Bandscheibenvorfall vorliegt, können Anteile der Bandscheibe in den Wirbelkanal eintreten und so dieselben Symptome auftreten: Der Druck auf die Nerven im Rückenmark löst dann Schmerzen und weitere Beschwerden aus.

Wie macht sich eine Spinalkanalstenose bemerkbar?

Die Symptome, die bei einer Spinalkanalstenose auftreten, hängen von der Höhe der Spinalkanalstenose ab. Sie tritt am häufigsten in der Halswirbelsäule und in der Lendenwirbelsäule auf.

Spinalkanalstenose in der Halswirbelsäule

Wenn eine Verengung im Halsbereich vorliegt, so äußert sich die Stenose vorwiegend als Nackenschmerzen und Verspannungen der Muskulatur im Nackenbereich.
Zudem verläuft in der Halswirbelsäule ein Nervengeflecht, das für die Arme verantwortlich ist. Deshalb kann es auch zu brennenden Schmerzen, einem Kribbelgefühl oder bei fortgeschrittener Stenose sogar zu Taubheitsgefühlen im Schulter- und Armbereich kommen. Die meisten Patienten klagen über eine Mattheit in den Armen. Auch das präzise Greifen fällt ihnen schwer, wie etwa das Zuknöpfen eines Hemdes oder das Umblättern einer Buchseite.

Spinalkanalstenose in der Lendenwirbelsäule

Prägt sich die Wirbelkanalstenose im Bereich der Lendenwirbelsäule aus, so kommt es zu Rückenschmerzen mit Muskelverspannungen.
Diese Schmerzen strahlen in die Beine aus, weil in der Lendenwirbelsäule die Nerven liegen, die die Beine versorgen. Auch hier tritt ein brennender Schmerz, ein Kribbelgefühl oder Taubheit auf – aber eben in den Beinen bis hin zu den Füßen.
Außerdem fühlen sich die Beine schwach an. Insbesondere beim Gehen kommt es zu starken Schmerzen oder Krämpfen in den Waden, weshalb Betroffene gezwungen sind, Pausen einzulegen. Manche versuchen die Schmerzen mit einem Hinkgang zu vermindern. Das Gleichgewicht kann auch gestört sein, weil Betroffene das Gefühl haben, wie auf Watte zu gehen. Der feste Boden und damit die Orientierung fehlt.

Ist die Stenose in der unteren Hälfte der Lendenwirbelsäule lokalisiert, so kann auch der Stuhlgang und Harn nicht mehr kontrolliert werden (Inkontinenz).
Das Sexualleben ist in dem Fall wegen erektiler Dysfunktionen ebenfalls eingeschränkt.
Bei einer sehr stark fortgeschrittenen Stenose mit einer deutlichen Verengung des Spinalkanals kann es zu einem Querschnittsyndrom mit erschlafften Beinen und Inkontinenz kommen. Doch diese treten nur in seltenen Fällen auf.

In den meisten Fällen erscheinen die Beschwerden wenig charakteristisch. Betroffene leiden an Rückenschmerzen, Verspannungen und Schmerzen beim Gehen. Im Unterschied zu den anderen Erkrankungen des Rückens hören die Schmerzen bei der Beugung des Rückens zu einem Rundrücken oder Katzenbuckel plötzlich auf. Denn die Bewegung führt dazu, dass die Wirbelkörper auseinander gezogen werden, es sofort mehr Platz im Spinalkanal gibt und die Schmerzen abrupt nachlassen.

Wie stellen Ärzte eine Spinalkanalstenose fest?

Wenn Sie sich mit den genannten Symptomen bei Ihrem Arzt (Facharzt für Orthopädie oder Neurologie) vorstellen, wird dieser neben der Anamnese eine körperliche Inspektion vornehmen und eine Untersuchung mit bildgebenden Verfahren veranlassen.

Körperliche Inspektion

Damit Ihr behandelnder Arzt abklären kann, ob eine Spinalkanalstenose vorliegt oder Sie an unspezifischen Rückenschmerzen leiden, kann er Sie bitten, Bewegungen auszuführen, die Schmerzen verursachen. Er wird Ihnen vorgeben, ins Hohlkreuz zu gehen, also Ihren Oberkörper nach hinten zu beugen. Wenn dies starke Schmerzen verursacht, wird der Arzt Sie bitten mit aufgestützten Hände einen Rundrücken zu machen. Nehmen die Schmerzen in dieser Körperhaltung stark ab, so ist das ein Hinweis für eine Spinalkanalstenose. Um Klarheit zu erhalten, ordnet der Arzt bildgebende Verfahren an.

Bildgebende Verfahren

Die bildgebende Verfahren ermöglichen es den Ärzten ausgehend von Ihren Beschwerden und der körperlichen Untersuchung seine Verdachtsdiagnose zu belegen oder widerlegen.

Zur Auswahl stehen Röntgen, die Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) und eine Computertomographie (CT).

Mit der Röntgenuntersuchung macht der Arzt ein Bild der knöchernen Strukturen Ihres Rückens. Somit kann er eine Veränderung der Wirbelsäule oder eine zusätzlichen Bildung von Knochenmaterial feststellen.

Detaillierte Auskunft gibt die Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT). Neben den knöchernen Strukturen stellt sie die Weichteilstrukturen dar. Damit kann der Arzt den Zustand der Bandscheibe, der Bänder, der Nerven und des Rückenmarks beurteilen. Der Spinalkanal kann bei diesem Verfahren am besten untersucht werden. Die Verengungen sind meistens auf der Höhe des 3.-4. oder 4.-5. Lendenwirbelkörpers anzutreffen. Diese sind bei jedem Menschen am häufigsten von einer Abnutzung betroffen.

Eine Computertomographie (CT) wird angewendet, wenn ein MRT nicht ausgeführt werden darf, zum Beispiel weil ein Patient ein Herzschrittmacher trägt.

Zu guter Letzt wird im Rahmen einer neurologischen Untersuchung die genaue Höhe und Länge der Spinalkanalstenose ermittelt und die darauf zurückzuführenden Symptome werden benannt. Der Neurologe kann die Funktion der Nerven mit dem sogenannten Elektromyographen (EMG) beurteilen. Bei dieser Methode werden die einzelnen Nerven elektrisch erregt, sodass die provozierte Reaktion, z.B. die Beinbewegung, gemessen werden kann.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei einer Spinalkanalstenose?

Abhängig vom Grad der vorliegenden Spinalkanalstenose kann eine konservative Behandlung in Kombination mit einer Schmerzmedikation oder bei fortgeschrittener Stenose eine Operation wahrgenommen werden.

Konservative Methode

Der Begriff konservative Methode umfasst alle Therapiemöglichkeiten, die nicht operativ sind.

Bei der Spinalkanalstenose ist eine Physiotherapie am effektivsten. Ihnen werden Bewegungen und Übungen gezeigt, die die Wirbelsäule entlasten und die tiefe Rückenmuskulatur stärken. So wird die Belastung auf die Wirbelsäule verringert. Mit zusätzlichen Therapieoptionen wie der Wärmetherapie und der Elektrotherapie werden Verspannungen gelöst und Nerven stimuliert. Orthesen und Stützkorsette unterstützen Sie im Alltag bei der kontinuierlichen Wahrung einer gesunden Rückenhaltung.

Schmerzmedikation

Auch wenn Sie die empfohlenen Bewegungstherapien wahrnehmen, müssen Ihre Schmerzen separat behandelt werden. Arzneimittel, die bei leichten Schmerzen empfohlen werden, sind zum Beispiel Paracetamol oder Ibuprofen. Mittelstarken Schmerzen werden mit leicht-opioiden Mittel behandelt und bei sehr starken Schmerzen werden starke Opioiden eingesetzt. Sollten Sie längere Zeit auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen sein, so verschreibt Ihnen der Arzt noch ein zusätzliches Medikament, das die Magenschleimhaut schützt. Denn Schmerzmittel verursachen bei langfristiger Einnahme eine gereizte Magenwand. So wird eine Magenerkrankung verhindert. In schwerwiegenden Fällen wird auch eine schmerzstillende Injektion direkt an die betroffenen Wirbel eingesetzt.

Um starke Verspannungen zu lösen, kann der Arzt auch relaxierende Medikamente für die Muskulatur verschreiben. Kortison ist ein Beispiel dafür: Die stark um den Wirbelkanal verspannte Muskulatur wird gelöst, sodass weniger Druck auf das Rückenmark ausgeübt wird.

In der Regel verfolgen die Ärzte einen sogenannten multimodalen Ansatz, bei dem eine Kombination aus verschiedenen Therapiemöglichkeiten erarbeitet wird. So können Schmerzen, Entzündungen, Verspannung und degenerative Vorgänge entschleunigt werden.

Die meisten Patienten erzielen mit konservativen Therapien eine wesentliche Verbesserung Ihres Zustandes. Eine Operation wird nur dann empfohlen, wenn durch die Verengung Nerven auf Dauer beschädigt werden und alltagswichtige Funktionen, wie etwa das Gehen, ausfallen.

Operative Methode

Bei einem eingeschränkten Alltagsleben und nicht aushaltbaren Schmerzen wird als letzte Möglichkeit ein chirurgischer Eingriff vorgenommen.

Auch hier gibt es zwei verschiedene Operationsmöglichkeiten:

Dekompression: Um Druck von den eingeengten Nerven zu nehmen, werden die Wirbelkörper an der verengten Stelle einseitig oder beidseitig aufgespalten und minimale Bereiche entfernt.

Fusion: Wirbel, die ihre Ursprungsposition verändert haben und so die Verengung verursachen, werden im Rahmen der Fusion durch Schrauben verbunden und fixiert.

Die Bilder Ihrer Wirbelsäule unterstützen die Ärzte bei der Entscheidungsfindung, welche Operation zielführend ist. Die Verfahren erfolgen mikrochirurgisch, weshalb keine großen Einschnitte in die Haut erforderlich sind.

So wie bei jeder Operation gibt es auch bei der chirurgischen Behandlung der Spinalkanalstenose Risiken. Hierzu zählen Nervenschädigungen oder Verletzungen der bindegewebigen Strukturen um das Rückenmark herum, die zu einem Austritt von Rückenmarksflüssigkeit führen können.

Verlauf und Prognose der Spinalkanalstenose

Die Spinalkanalstenose schreitet in den meisten Fällen nur langsam voran und kann in ihrem Verlauf unterschiedlich sein:
Es kann sein, dass die Schmerzen konstant bleiben oder sogar abnehmen.
Das liegt daran, dass mit dem Alter die Beweglichkeit der Wirbelsäule abnimmt, sodass die knöchernen Strukturen weniger auf die Nerven drücken können.
Bei 60-70% der Patienten bleiben die Schmerzen gleich, ohne sich zu verschlimmern.

Liegt eine akute Spinalkanalstenose durch einen Bandscheibenvorfall vor, bei dem sich Gewebe der Bandscheibe in den Spinalkanal verlagert, so kann es zu plötzlichen und schweren Schmerzen kommen.

Sollten nach mindestens drei Monaten trotz konservativer Behandlung keine Besserung der Schmerzen und der Mobilität erreicht werden, gilt die 30 bis 90 minütige Operation unter Vollnarkose als letzter Behandlungsweg. Bei Menschen mit großen Schmerzen sind hier die Erfolgsaussichten gut. Bei 289 von 365 Patienten konnte durch die OP eine deutliche und schnelle Linderung der Symptome erzielt werden. Dies zeigen neue Studien aus England.

Nach der Operation empfehlen Ärzte eine möglichst schnelle Mobilisation unter geringer Belastung. Meist wird am Tag nach der Operation mit leichten Bewegungen begonnen. Es ist mit einem Krankenhausaufenthalt von 7 bis 10 Tagen zu rechnen.

Nach der Klinik, besuchen Sie eine Reha-Einrichtung, um fit für den Alltag zu werden. Je nach Ihrem allgemeinen Gesundheitszustand, dem Zustand Ihrer Muskulatur und ihrem Trainingseifer, dauert es mehrere Wochen bis zu mehreren Monaten bis Sie genesen sind.

Quellen: 

Arabmotlagh, M., Sellei, R.M., Vinas-Rios, J.M. et al. Klassifikation und Diagnostik der lumbalen Spinalkanalstenose. Orthopäde 48, 816–823 (2019). https://doi.org/10.1007/s00132-019-03746-1 . Zuletzt abgerufen am 07.06.2021.

Degenerative Lumbar Spinal Stenosis – Current Strategies in Diagnosis and Treatment. Dtsch Arztebl 2008; 105(20): 373-9; DOI: 10.3238/arztebl.2008.0373. https://www.aerzteblatt.de/archiv/60175/Die-degenerative-lumbale-Spinalkanalstenose#comments. Zuletzt abgerufen am 07.06.2021.

Fortunati M, Rossi-Mossuti F, Muroi C. Jeder hat doch Rückenschmerzen: degenerative lumbale Wirbelsäulenerkrankungen und ihre Behandlungsmöglichkeiten [Everyone Has Low Back Pain: Degenerative Lumbar Spinal Disorders and Their Treatment Options]. Praxis (Bern 1994). 2020 Feb;109(2):87-95. German. doi: 10.1024/1661-8157/a003380. Zuletzt abgerufen am: 07.06.2021.

Korge A, Mehren C, Ruetten S. Minimal-invasive Dekompressionsverfahren der Spinalkanalstenose [Minimally invasive decompression techniques for spinal cord stenosis]. Orthopade. 2019 Oct;48(10):824-830. German. doi: 10.1007/s00132-019-03732-7. Zuletzt abgerufen am: 07.06.2021.

Theodoridis T, Krämer J, Kleinert H. Konservative Behandlung der lumbalen Spinalkanalstenose–eine Ubersicht [Conservative treatment of lumbar spinal stenosis–a review]. Z Orthop Unfall. 2008 Jan-Feb;146(1):75-9. German. doi: 10.1055/s-2007-989394. Zuletzt abgerufen am: 07.06.2021.