Erfahrungsbericht Brustkrebs
Christine Borys; ©privat

Mit nur 29 Jahren erkrankte die schwangere Christine Borys an Brustkrebs. Ihre Tumorart hatte ein besonders hohes Rezidivrisiko. Warum sie ihr Kind verlor und wie eine Schwangerschaft nach Therapieende verlief, berichtet sie hier.

Ein Bericht von Christine Borys

Als Jugendliche hatte ich einen Gynäkologen, der mich über die Krankheit Brustkrebs informierte und mir beibrachte, die Tastuntersuchung bei mir selbst durchzuführen. Ich integrierte sie in meine Tagesabläufe, tastete mich beim Duschen oder beim Umziehen vor dem Schlafengehen ab.

Im Frühjahr 2011 spürte ich das erste Mal einen Knoten in der Brust. Ich suchte meinen Gynäkologen auf, der eine Ultraschalluntersuchung durchführte. Nach einer gründlichen Untersuchung diagnostizierte er nur eine Zyste, die er in den nächsten Kontrolluntersuchungen im Auge behalten wollte. So ging das Leben vorerst normal weiter.

Mein Mann und ich hatten schon zwei gemeinsame Kinder im Alter von zwei und drei Jahren und planten ein drittes. Im August des gleichen Jahres erfuhr ich von meiner erneuten Schwangerschaft. Im September ging ich für die Kontrolluntersuchung zu meinem Gynäkologen. Anschließend kontrollierte er auch die Zyste. Ich selbst hatte bemerkt, dass sie sich in der Zwischenzeit verändert hatte. Sie fühlte sich anders an. Mein Bauchgefühl hatte mir schon vorher gesagt, dass irgendwas nicht stimmte.

Als der Gynäkologe das Ultraschallbild betrachtete, bemerkte ich, wie er aschfahl im Gesicht wurde. Er war sehr bemüht, mich nicht zu beunruhigen und riet mir, ein Tumorzentrum aufzusuchen. Er sorgte sich auch um die Schwangerschaft, meinte aber, dass es Möglichkeiten geben würde, die zu erhalten.

An der Kinderschaukel

Dass ich Brustkrebs hatte, war für mich nicht so belastend wie das, was noch auf mein ungeborenes Kind zukommen sollte. Mein Mann konnte nicht bei der Untersuchung dabei sein, weil er auf die beiden Kleinen aufpasste. Er war mit den Kindern auf einem nahegelegenen Spielplatz, schaukelte die Kinder und freute sich auf die Nachricht einer weiteren normalen Schwangerschaft.

Diese wenigen Sekunden zur Schaukel, wo ich die Krebsnachricht meinem Mann überbringen musste, waren eine Katastrophe. Da sind mit etliche Gedanken durch den Kopf gegangen: Was wird mit dem Kind, das in mir ist? Was wird mit den Kindern, die ich schon habe? Wie wird es für meine Familie und mich weitergehen? Es passte einfach nichts zusammen. Und dann war ich gezwungen, es meinem Mann zu sagen, der fröhlich mit den Kleinen auf der Schaukel saß. Das Bild von meiner Familie an der Schaukel werde ich niemals vergessen.

In den nächsten Tagen mussten wir uns sortieren. Wo müssen wir hin? Da wir im tiefsten Sauerland wohnten, war klar, dass wir, egal für welche Klinik wir uns entscheiden würden, eine lange Fahrt antreten müssen. Ich hatte Angst um meine Kinder. Von wem konnten wir uns Hilfe holen und wie sollten wir es unserer Familie sagen, die weit verstreut lebte?

Der triple-negative Brustkrebs

In der Uniklinik, die wir letztendlich auswählten, wurde zunächst eine Stanzbiopsie durchgeführt. Die Laboranalyse der Gewebeproben ergab, dass es sich um einen bösartigen Tumor handelte. Durch weitere Tests stellten die Ärzte fest, dass es sich um die sogenannte triple-negative Tumorart handelte. Er hat ein hohes Metastasierungs- und Rezidivrisiko und daher auch eine schlechtere Prognose als andere Brustkrebsarten. Das liegt daran, dass dem Tumor Wachstumsfaktor-Rezeptoren (HER2-Neu) sowie Rezeptoren für Östrogen und Progesteron fehlen. Der Tumor ist also nicht hormonabhängig. Außerdem können Medikamente, die genau an diese Rezeptoren binden und die Krebszellen vernichten sollen, nicht wirken.

Meine Ärztin war toll. Sie verstand, dass die lange Anfahrt für uns aufwendig war. Sie versuchte so viel wie nur möglich telefonisch mit mir zu besprechen. Um das genaue Ausmaß der Krebserkrankung zu bestimmen, kamen weitere Untersuchungen hinzu: die Mammografie, eine Röntgenaufnahme der Lunge, eine Computertomografie und die Knochenszintigrafie. Der Tumor war nicht metastasiert. Aber es kam noch das Gespräch: Entweder leben Sie Frau Borys, oder das Kind.

Entweder ich oder mein Kind

Es war für uns eine katastrophale Situation, uns gegen unser Kind entscheiden zu müssen. Aber es auszutragen, hätte dem Tumor sehr viel Zeit zum Wachsen gegeben. Es musste ein Schwangerschaftsabbruch eingeleitet werden. Ich war zu diesem Zeitpunkt 29 Jahre alt, unsere Familienplanung war noch nicht abgeschlossen. Wir wollten immer eine große Familie haben.

Kurz bevor ich den Termin zum Schwangerschaftsabbruch bekam, musste ich wegen der Gesetzeslage einen Beratungstermin beim Sozialdienst wahrnehmen. Der Termin war eine Farce. Ich musste mir anhören, welche Alternativen es zum Schwangerschaftsabbruch gäbe, obwohl es aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit gab, das Kind auszutragen. Ich dachte mir: Was ist das bitte für eine Tortur? Was ist das für ein Schwachsinn? Ich suche mir das doch nicht aus! Am liebsten hätte ich geschrien: Liebe Leute, ich will mein Baby behalten!

Zehn Tage nach der Diagnose wurde der Abbruch eingeleitet. Außerdem entschieden mein Mann und ich uns für eine Kryokonservierung meines Ovars (Eierstockgewebes). Das Ovar kann nach der Genesung eingesetzt werden und eine Schwangerschaft ermöglichen.

Als ich aus der Narkose erwachte, weinte ich stundenlang. Ich konnte es einfach nicht fassen, dass das Kind, das wir uns so sehnlich gewünscht haben und aus Liebe in unserem Urlaub entstanden ist, nicht bei uns sein durfte. Wir haben uns entschieden, uns von unserem Baby in der Kapelle bei uns im Dorf zu verabschieden. Auch nach zehn Jahren vergisst man sowas nicht. Es gibt viele Momente, in denen ich darüber weine. Die Kapelle ist noch heute ein Ort des Rückzuges, ein Ort der Andacht für mich.

Die Krebsbehandlung

Ich war zum Zeitpunkt der Diagnose nachmittags im Minijob tätig, weil ich mich um meine zwei kleinen Kinder kümmern wollte. Mit Beginn der Chemotherapie hatte ich Haushaltshilfen zur Unterstützung. Die Damen waren echt Gold wert und haben mir sehr viel Arbeit abgenommen, für die ich keine Kraft mehr hatte. Die Kosten übernahm die Krankenkasse.

Mein Jüngster war in dieser Zeit noch nicht im Kindergarten und benötigte zuhause eine Vollbetreuung. Das hätte ich alleine wegen der Behandlung gar nicht geschafft.

 


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