Pflegegrad
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In Deutschland sind fast 4,6 Millionen Menschen pflegebedürftig. Für 3.7 Millionen pflegebedürftige Personen ist eine ambulante Pflege ausreichend. Doch welche Pflegegrade gibt es? Welche Leistungen kann man beziehen?

Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Einstufung des Pflegegrades ist die Selbstständigkeit des Antragstellers maßgebend. So werden neben der Mobilität auch mögliche psychische und kognitive Einschränkungen berücksichtigt.

Diese Einschränkungen können mit zunehmendem Alter auftreten, mit chronisch-degenerativen Erkrankungen oder auch nach unerwarteten Schicksalschlägen, zum Beispiel durch einen Unfall. Es gibt jedoch keine pauschale Antwort darauf, welche Krankheit welchem Pflegegrad definitiv zugeordnet wird. Für die Beantragung eines Pflegegrades muss die Pflegebedürftigkeit voraussichtlich länger als sechs Monate bestehen.

Ob eine Person pflegebedürftig ist und wie hoch der Pflegegrad eingestuft wird, wird von einem Gutachter erörtert. Dieser orientiert sich an einem detaillierten Fragenkatalog. Im Vordergrund stehen Fragen wie: Wie selbstständig ist der Antragsteller? Kann er die Anforderung des Alltags selbst bewältigen? Wie viel Hilfe benötigt er, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen? Die Beurteilung erfolgt nicht nur nach körperlichen, sondern auch nach psychischen und kognitiven Gesichtspunkten.

Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die Pflegekassen einen solchen Antrag in 25 Tagen bearbeiten und den jeweiligen Bescheid versenden müssen. Unter Umständen kann die Begutachtungsfrist verkürzt sein. Wenn diese Frist überschritten wird, muss die Versicherung für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung 70 Euro an den Antragsteller zahlen. Die genauen Regelungen finden Sie hier.

Welche Pflegegrade gibt es?

Seit Januar 2017 gibt es fünf Pflegegrade. Um den Pflegegrad zu bestimmen, vergeben die Gutachter anhand eines detaillierten Fragenkatalogs für sechs Lebensbereiche Punkte, mit denen der Pflegegrad berechnet wird. Die Lebensbereiche werden als Module zusammengefasst.

Modul 1: Mobilität (Beweglichkeit)

In diesem Modul wird beurteilt, wie selbstständig die antragstellende Person ist. Kann sie ohne Hilfe die Körperhaltung ändern, sich beispielsweise im Liegen drehen, aufstehen oder eigenständig fortbewegen?

Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (verstehen und reden)

Dieses Modul bezieht sich auf die geistigen Fähigkeiten der betroffenen Person. Können Handlungen bewusst und zielgerichtet durchgeführt werden? Erkennt die Person Bekannte aus dem Umfeld wieder? Kann sie sich dem Wetter gemäß anziehen? Es geht also nicht darum, ob eine Person beispielsweise motorisch in der Lage ist, zum Supermarkt zu gehen, sondern ob sie geistig dazu in der Lage ist.

Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

Bei diesem Modul versucht ein Gutachter festzustellen, ob es Verhaltensweisen gibt, die für Betroffene und ihre pflegenden Personen belastend sind. Beispielsweise erkennen Alzheimer-Erkrankte die pflegende Person nicht wieder. Die Verwirrung und Angst können ein aggressives Verhalten auslösen. Aber auch psychische Krankheiten werden hier berücksichtigt.

Modul 4: Selbstversorgung

Unter diesem Modul fallen Tätigkeiten, die die primären Bedürfnisse des Menschen stillen sollen. Kann der Antragsteller selbstständig essen, trinken, sich waschen, anziehen, das Bad und die Toilette benutzen? Wie viel Unterstützung benötigt er dabei?

Modul 5: Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

Dieses Modul berücksichtigt, ob der Antragsteller ärztliche Anordnungen befolgen kann. Kann er Medikamente selbstständig einnehmen? Kann er für die Weiterbehandlung seinen Arzt aufsuchen? Wie viel Hilfe benötigt er, um den Anforderungen seiner Therapie nachzukommen?

Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Im sechsten und letzten Modul schaut der Gutachter, ob die pflegebedürftige Person soziale Kontakte pflegen kann. Kann er zum Beispiel selbst telefonieren oder das Haus verlassen?

Wie die Definition der Module zeigt, sind einige Module essenzieller als andere. So werden die Punkte unterschiedlich gewichtet und fließen so in die Gesamtpunktzahl hinein: Modul 1 fließt zu 10 Prozent die Gesamtwertung ein, während Modul 2 oder 3 zu 15 Prozent gewichtet werden. Modul 4 (Selbstversorgung) fließt zu 40 Prozent die Gesamtbeurteilung ein, Modul 5 zu 20 Prozent und Modul 6 zu 15 Prozent.

Bei der Berechnung gilt, je selbstständiger ein Antragsteller ist, desto weniger Punkte werden ihm in den einzelnen Modulen vergeben und desto niedriger wird der Pflegegrad sein. Die fünf Pflegegrade haben die folgende Punktzahl:

  • Pflegegrad 1 (geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten): 12,5 bis unter 27 Punkte 
  • Pflegegrad 2 (erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten): 27 bis unter 47.5 Punkte
  • Pflegegrad 3 (schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten): 47.5 bis unter 70 Punkte 
  • Pflegegrad 4 (schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten): 70 bis unter 90 Punkte 
  • Pflegegrad 5 (schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, die besondere Anforderungen an die Pflege stellen): 90 bis 100 Punkte

Welche Pflegeleistungen gibt es ?

Welche Leistungen man beziehen kann, hängt vom festgestellten Pflegegrad ab.

Pflegegeld für häusliche Pflege

Wenn Angehörige oder Ehrenamtliche die Pflege übernehmen, kann Pflegegeld beantragt werden. Es ist auch möglich, das Pflegegeld für häusliche Pflege mit den Pflegesachleistungen für ambulante Pflege (siehe unten) zu kombinieren. Anspruch auf Pflegegeld haben alle, deren Pflegebedürftigkeit bei Pflegestufe 2 oder höher liegt. Bei Pflegegrad 2 kann man 316 Euro monatlich beziehen, bei Pflegegrad 3 sind es 545 Euro, bei Pflegegrad 4 stehen 728 Euro zur Verfügung und bei Pflegegrad 5 sind es 901 Euro im Monat. Das Pflegegeld ist eine nicht zweckgebundene Leistung. Das heißt, es kann für die Bezahlung pflegender Angehöriger genutzt werden, es kann aber dafür verwendet werden, eine Seniorenbetreuung  oder eine häusliche Pflegekraft zu bezahlen.

Pflegesachleistungen für häusliche Pflege

Durch die ambulanten Pflegesachleistungen, ist es den Versicherten möglich, einen ambulanten Pflegedienst für die häusliche Pflege in Anspruch zu nehmen. Bei Pflegegrad 1 stellt die Pflegeversicherung monatlich bis zu 125 Euro als einsetzbaren Entlastungsbetrag zur Verfügung. Die Beantragung von Pflegesachleistungen ist ab Pflegegrad 2 möglich. Bei Pflegegrad 2 können monatlich 689 Euro bezogen werden, bei Pflegegrad 3 sind es 1.298 Euro, bei Pflegegrad 4 1.612 Euro und bei Pflegegrad 5 stehen 1.995 Euro zur Verfügung.

Pflegehilfsmittel

Unter Pflegehilfsmittel fallen alle Geräte und Sachmittel, die in der häuslichen Pflege eingesetzt werden. Technische Pflegehilfsmittel können leihweise oder gegen eine Zuzahlung beantragt werden. Für andere Produkte können Pflegebedürftige einen Zuschuss der Kasse von bis zu 40 Euro pro Monat erhalten. Darunter fallen beispielsweise Einmalhandschuhe, Mundmasken, Betteinlagen oder Desinfektionsmittel. Googlen Sie einfach “Pflegebox”, dann werden Sie schon verschiedene Anbieter finden, bei denen Sie im Wert von 40 Euro ihre monatliche Pflegebox zusammenstellen können, die Ihnen geliefert wird.

Pflege bei Verhinderung einer Pflegeperson

Wenn die private Pflegeperson Urlaub macht oder im Krankheitsfall die Pflege vorübergehend nicht übernehmen kann, stellt die Pflegeversicherung finanzielle Mittel für eine Ersatzpflege zur Verfügung. Diese sogenannte Verhinderungspflege kann entweder von einem ambulanten Pflegedienst oder einer Einzelperson  übernommen werden. Diese Ersatzpflege kann im Kalenderjahr für bis zu sechs Wochen beantragt werden. Für die Pflegegrade 2 bis 5 zahlt die Pflegeversicherung bis zu 1.612 Euro für diesen Zeitraum.

Kurzzeitpflege

Wenn Pflegebedürftige nur für eine begrenzte Zeit auf vollstationäre Pflege angewiesen sind, kann für diese Zeit eine Kurzzeitpflege von bis zu acht Wochen pro Jahr beantragt werden. Die Kasse zahlt 1.612 Euro für die Pflegegrade 2-5. Situationen, in denen eine Kurzzeitpflege infrage kommt, sind beispielsweise bei Krisensituationen in der häuslichen Pflege, im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt oder als Übergangszeit. Für den Pflegegrad 1 kann ein monatlicher Betrag von 125 Euro als Entlastungsbetrag beantragt werden.

Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen

Wenn Pflegebedürftige zu Hause gepflegt und betreut werden und besondere Bedürfnisse vorliegen, kann die Pflegeversicherung in gewissen Fällen finanzielle Zuschüsse bewilligen, die dazu dienen, das Wohnumfeld anzupassen. Für alle Pflegegrade sind es 4.000 Euro, die die Versicherung zur Verfügung stellt und wenn mehrere Anspruchsberechtigte zusammen wohnen, zahlt die Pflegekasse bis zu 16.000 Euro. Zu den wohnumfeldverbessernden Maßnahmen zählen zum Beispiel das Verlegen von rutschsicheren Böden, die Installation eines Treppenlifts oder der Einbau einer barrierefreien Dusche.

Teilstationäre Leistungen der Tages-/Nachtpflege

Bei einer Tages- und Nachtpflege, auch teilstationäre Versorgung genannt, findet eine zeitweise Betreuung im Tagesverlauf in einer Pflegeeinrichtung statt. Darüberhinaus haben Pflegebedürftige in vollstationären Pflegeeinrichtungen Recht auf zusätzliche Betreuung. Für die Kosten einer Tages- und Nachtpflege über die ambulante Pflegesachleistung oder das Pflegegeld hinaus, haben Versicherte der Pflegegrade 2 bis 5 Anspruch auf Tages- und Nachtpflege. Antragsteller des Pflegegrad 1 können ihren Entlastungsbetrag von 125 Euro im Monat hierfür einsetzen. Bei Pflegegrad 2 können 689 Euro monatlich beantragt werden, bei Pflegegrad 3 sind es 1.298 Euro, Bedürftige mit Pflegegrad 4 bekommen 1.612 Euro und bei Pflegegrad 5 können 1.995 Euro im Monat beantragt werden.

Leistungen bei vollstationärer Pflege

Wenn Pflegebedürftige eine vollstationäre Pflege benötigen, wie etwa die Betreuung in einem Pflegeheim, haben sie bei Pflegegrad 2 einen Anspruch auf 770 Euro monatlich, bei Pflegegrad 3 sind es 1.262 Euro, bei Pflegegrad 4 beläuft sich der Betrag auf 1.775 Euro und bei Pflegegrad 5 auf 2.005 Euro. Bei Pflegegrad 1 kann ein Entlastungsbetrag von 125 Euro beantragt werden. Darüberhinaus steht den Pflegebedürftigen auch in vollstationären Pflegeeinrichtungen das Recht zu, eine zusätzliche Betreuung und Aktivierung zu beantragen.

Pflegende Angehörige

Pflegebedürftige können selbst darüber entscheiden, wie und von wem sie gepflegt werden wollen. In Deutschland übernehmen in gut der Hälfte aller Fälle Angehörige die Pflege.

So bieten Pflegeversicherungen kostenlose Kurse an, in denen Grundkenntnisse der häuslichen Pflege gelehrt werden. Außerdem wird durch diese Kurse die Möglichkeit geschaffen, sich mit anderen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Diese Schulungen sind auch von zu Hause möglich.

Pflegepersonen, die berufstätig sind, können bis zu sechs Monate ganz oder teilweise aus dem Beruf aussteigen. Berufstätige, die die Pflegezeit bis zu sechs Monate in Anspruch nehmen, haben auch einen Rechtsanspruch auf ein zinsloses Darlehen. Wenn sich ein pflegebedürftiger, naher Angehöriger in der letzten Lebensphase befindet, kann eine berufliche Auszeit von drei Monaten teilweise oder vollständig genommen werden.

Wenn ein naher Angehöriger länger pflegebedürftig ist, können Berufstätige die sogenannte Familienpflegezeit beantragen. Zwei Jahre lang dürfen sie ihre Arbeitszeit dann auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren. Auch in diesem Fall haben Pflegepersonen einen Rechtsanspruch auf ein zinsloses Darlehen. Wie genau dieses Darlehen beantragt werden kann und wie die Rückzahlung erfolgt, erfahren Sie hier. Hier kommen Sie zum Darlehensrechner.

Die Pflegeversicherung zahlt für Pflegepersonen unter bestimmten Voraussetzungen Beiträge zur Rentenversicherung für die gesamte Dauer der Pflegetätigkeit. Welche Bedingungen hierfür vorliegen müssen, erfahren Sie hier.

 

Quellen

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Wege zur Pflege. https://www.wege-zur-pflege.de/start. Zuletzt abgerufen am 12.09.2022.

Bundesministerium für Gesundheit. Online-Ratgeber Pflege. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/pflegegrade.html. Zuletzt abgerufen am 12.09.2022. 

Bundesministerium für Gesundheit. Die Pflegestärkungsgesetze. Alle Leistungen zum Nachschlagen. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Pflege/Broschueren/PSG_Alle_Leistungen.pdf. Zuletzt abgerufen am 12.09.2022. 

Medizinischer Dienst Bund. Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. https://md-bund.de/themen/pflegebeduerftigkeit-und-pflegebegutachtung/das-begutachtungsinstrument.html. Zuletzt abgerufen am 12.09.2022. 

Verbraucherzentrale.Was Pflegegrade bedeuten und wie die Einstufung funktioniert. 05.07.2022. https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/pflegeantrag-und-leistungen/was-pflegegrade-bedeuten-und-wie-die-einstufung-funktioniert-13318. Zuletzt abgerufen am 12.09.2022.