Orte, an denen Menschen weltweit am ältesten werden
Ein Ort auf der griechischen Insel Ikaria; ©de:User:Man77/CC0

Bei den sogenannten Blue Zones (Blaue Zonen) handelt es sich um Orte auf der Welt, deren Einwohner deutlich länger leben als in den übrigen Regionen. Doch was macht die Blue Zones so besonders? Was sagen Wissenschaftler dazu?

Ein Beitrag von Lukas Hoffmann

Erstmals wurde der Begriff “Blue Zones” (Blaue Zonen), vom US-amerikanischen Autor Dan Buettner im November 2005 unter dem Titel “The Secrets of Long Life” (dt.: Die Geheimnisse eines langen Lebens) im Magazin National Geographic vorgestellt. Laut Buettner zählen zu den Blue Zones fünf Regionen, in denen die Menschen besonders alt werden: Okinawa (Japan), Sardinien (Italien), die Nicoya-Halbinsel (Costa Rica), Ikaria (Griechenland) und Loma Linda (Kalifornien/USA). Allerdings wurden wissenschaftliche Studien, die die besondere Langlebigkeit der Inselbewohner auf Sardinien belegten, schon Ende der Neunziger Jahre veröffentlicht. Durch die Publikation von National Geographic beschäftigten sich viele Forschungsgruppen mit der Frage, was diese Orte denn so besonders macht. Das Teilgebiet der Wissenschaft, das sich mit den Ursachen und dem Ablauf des Alterns beschäftigt, wird als Biogerontologie bezeichnet.

Sardinien – Die Insel mit den meisten Hundertjährigen auf der Welt

Die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland beträgt gemäß den Zahlen aus den Jahren 2019 bis 2021 bei Männern 78,5 Jahre und bei Frauen 83,4 Jahre. Allerdings teilte das Statistische Bundesamt auch mit, dass in Deutschland die Anzahl der Hundertjährigen, mit 23.500 Menschen, den Höchststand in den letzten zehn Jahren erreicht hat. Damit kommt Deutschland auf 28.2 Hundertjährige auf je 100.000 Einwohner. Dabei beträgt der Anteil der Männer, die über hundert Jahre alt werden, nur 19,8 Prozent. Den deutlich überwiegenden Anteil der Hundertjährigen machen Frauen aus (18.866 Personen).

Die durchschnittliche Lebenserwartung auf Sardinien betrug 2016 für Männer und Frauen 82,6 Jahre. Das Geschlecht spielt hier bei der Langlebigkeit keine Rolle. Auch die Anzahl der Hundertjährigen ist auf Sardinien höher: Im Jahr 2021 lebten 534 Personen, die hundert Jahre oder auch älter waren. Das machte einen Durchschnitt von 33.6 Hundertjährigen auf je 100.000 Einwohnern. Damit ist Sardinien der Ort, an dem weltweit die meisten Hundertjährigen leben. Die bisher älteste Hundertjährige war die Patriarchin Consolata Melis, die erst im Alter von 107 Jahren verstarb. Die Hundert-Jahre zu knacken, ist aber keine Ungewöhnlichkeit in ihrer Familie. Denn sie und ihre acht Geschwister kamen zusammen auf ganze 819 Jahre. So erhielt der Melis-Clan sogar im Guinness Buch der Rekorde die Ehrung als die langlebigste Familie der Welt.

Doch was machen die Inselbewohner anders als der Rest der Welt? Welche Gemeinsamkeiten ließen sich bei den Bewohnern aller Blue Zones beobachten? Was können wir uns von ihnen für unser eigenes Leben abschauen?

Power 9

Dan Buettner und eine Gruppe aus Demografen stellten fest, dass die Lebensweise der Bewohner der Blue Zones sich in neun Punkten ziemlich ähneln. Sie fassten diese Lebensgewohnheiten unter dem Begriff “Power 9” zusammen.

1. Natürliche Bewegung

Die langlebigsten Menschen der Welt rennen keine Marathons, machen kein Muskeltraining in Fitnessstudios und nehmen keine Vitaminpräparate zu sich. Stattdessen leben sie in Umgebungen, die sie ständig dazu bringen, sich zu bewegen, ohne Sport- oder Bewegungsstunden in ihren Alltag einzuplanen. Sie beschäftigen sich mit Gartenarbeit und verzichten auf mechanische Hilfsmittel, egal ob für den Garten oder Zuhause.

2. Lebenssinn

Die Okinawaner nennen es Ikigai und die Nicoyaner nennen es Plan de Vida. Beides bedeutet so viel wie „Warum ich wache ich morgens auf?“. Die selbstständige Beantwortung nach dem Sinn und Zweck der eigenen Existenz verlängert Ihre Lebenserwartung um bis zu sieben weitere Jahre.

3.  Abschalten

Auch Menschen in den Blue Zones erleben Stress. Stress führt zu chronischen Entzündungen, die wiederum zu größeren altersbedingten Krankheit führen können. Was alle langlebigen Menschen der Welt gemeinsam haben und was den anderen oft fehlt, sind Routinen oder Gewohnheiten, die diesen Stress abbauen. Okinawaner nehmen sich jeden Tag ein paar Augenblicke, um sich an ihre Vorfahren zu erinnern, in Loma Linda betet man, die Ikarier machen ein Nickerchen, und auf Sardinien gönnt man sich eine Happy Hour.

4. Die 80-Prozent-Regel

Das 2500 Jahre alte Original heißt Hara hachi bu – eine konfuzianische Weisheit aus Okinawa. Es wird vor jeder einzelnen Mahlzeit ausgesprochen. So erinnert man sich selbst daran, mit dem Essen aufzuhören, wenn der Magen zu 80 Prozent gefüllt ist. Die Differenz von 20 Prozent zwischen gestillten Hungergefühl und Sättigungsgefühl machen den Unterschied zwischen Gewichtsabnahme oder Gewichtszunahme aus. Die Menschen in den Blue Zones nehmen oft nur eine kleine Mahlzeit am späten Nachmittag oder frühen Abend zu sich und essen für den Rest des Tages gar nichts mehr.

5. Pflanzliche Ernährung

Gemüse und Bohnen, einschließlich Soja und Linsen, sind die Eckpfeiler der meisten Blue-Zone-Diäten. Fleisch – meist Schweinefleisch – setzt nur Akzente auf dem Menü und wird im Durchschnitt nur 5 Mal pro Monat gegessen. Die Portionsgrößen auf dem Teller sind nur 85 bis 115 Gramm groß.

6. Wein am Nachmittag

Fast alle Menschen in den Blue Zones (außer in Loma Linda) trinken regelmäßig Alkohol. Die maßvollen Genießer leben länger als Nichttrinker. Die Regel lautet aber nur ein bis maximal zwei Gläser pro Tag. In Sardinien wird der lokale Cannonau-Wein zum Essen ausgeschenkt.

7. Zugehörigkeit

Alle bis auf fünf der 263 befragten Hundertjährigen gehörten einer Glaubensgemeinschaft an. Dabei scheint die Konfession selbst keine Rolle zu spielen. Untersuchungen zeigen, dass eine wöchentliche Teilnahme an religiösen Gottesdiensten die Lebenserwartung um vier bis 14 Jahre verlängert.

8. Familie und Freunde zuerst

Menschen aus den Blue Zones, die den hundertsten Geburtstag erlebt haben, geben an, dass ihre Familien und Lieben an erster Stelle stehen. Das bedeutet, dass die Eltern und Großeltern in der Nähe oder teilweise im selben Haus wohnten. Auch die Festlegung auf einen Lebenspartner kann die Lebenserwartung um bis zu drei Jahre verlängern.

9. Soziales Umfeld

Die langlebigsten Menschen der Welt wählten für ihr Leben soziale Kreise aus oder wurden in sie hineingeboren, die gesunde Verhaltensweisen unterstützen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegten, dass Rauchen, Fettleibigkeit, Glück und sogar Einsamkeit ansteckend sind. Die sozialen Netzwerke langlebiger Menschen haben also ihren Lebensstil wesentlich beeinflusst.

Doch inwieweit können Ihnen diese neun Tipps zu einem langen und gesunden Leben verhelfen? Auch darauf haben Altersforscher eine Antwort: Dänische Wissenschaftler führten nämlich bei fast 3.000 Zwillingsgeschwistern, die zwischen den Jahren 1870 und 1900 zur Welt kamen, eine Langzeitstudie über die Auswirkungen von Genen und Lifestyle auf die Lebenserwartung durch. Im Jahr 2006 veröffentlichten sie ihre Ergebnisse: Die Zwillingsstudie ergab, dass die Gene nur zu 20 Prozent Einfluss auf die Lebenserwartung der Zwillingsgeschwister hatten. Der individuelle Lebensstil trug hingegen zu 80 Prozent bei. Sie können durch eigene Entscheidungen also einen erheblichen Einfluss auf Ihre Lebenserwartung nehmen!

Quellen: 

Buettner, D. Power 9®. Reverse Engineering Longevity. https://www.bluezones.com/2016/11/power-9/. Zuletzt abgerufen am 14.08.2022. 

Buettner, D (2005). The Secrets of Long Life. National Geographic, 2005. https://www.bluezones.com/wp-content/uploads/2015/01/Nat_Geo_LongevityF.pdf. Zuletzt abgerufen am 14.08.2022. 

Deiana, L., Ferrucci, L., Pes, G.M. et al. AKEntAnnos. The Sardinia Study of Extreme Longevity. Aging Clin Exp Res 11, 142–149 (1999). https://doi.org/10.1007/BF03399655. Zuletzt abgerufen am 14.08.2022. 

Giuffrida, A. (2021). ‘If you talk, you live well’: the remote Sardinian village with eight centenarians. The Guardian, 2021. https://www.theguardian.com/world/2021/aug/08/if-you-talk-you-live-well-the-remote-sardinian-village-famed-for-longevity. Zuletzt abgerufen am 14.08.2022.

Herskind, A. M., McGue, M., Holm, N. V., Sørensen, T. I., Harvald, B., & Vaupel, J. W. (1996). The heritability of human longevity: a population-based study of 2872 Danish twin pairs born 1870-1900. Human genetics, 97(3), 319–323. https://doi.org/10.1007/BF02185763. Zuletzt abgerufen am 14.08.2022. 

Kington, T. (2012). World’s oldest siblings in Sardinia: ‚It’s all down to minestrone,‘ says Consolata Melis, 105. The Guardian, 2012. https://www.theguardian.com/world/2012/sep/02/sardinia-siblings-combined-age-818. Zuletzt abgerufen am 14.08.2022. 

Panagiotakos, D. B., Chrysohoou, C., Siasos, G., Zisimos, K., Skoumas, J., Pitsavos, C., & Stefanadis, C. (2011). Sociodemographic and lifestyle statistics of oldest old people (>80 years) living in ikaria island: the ikaria study. Cardiology research and practice, 2011, 679187. https://doi.org/10.4061/2011/679187. Zuletzt abgerufen am 14.08.2022. 

Tagesschau. 23.500 Menschen in Altersgruppe 100 plus. 2022. https://www.tagesschau.de/inland/altersgruppe-100-plus-101.html. Zuletzt abgerufen am 15.08.2022. 

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