Brustkrebs-Patientin
Doris Niehaus-König, ©privat

Als Doris an einem entzündlichen Brustkrebs erkrankt, ist sie schwanger mit ihrem zweiten Kind. Das war im Jahr 1992. Wie es ihr heute geht, berichtet sie im Interview. 

Frau Niehaus-König. Sie haben vor dreißig Jahren in Ihrer Schwangerschaft die Diagnose Brustkrebs bekommen. Was ist mit Ihrem Baby passiert? 

Doris Niehaus-König: Ich war im September 1992 in der zehnten Woche schwanger als mir eine Schwellung in meiner linken Brust auffiel. Ich hatte schon beim Stillen meines ersten Kindes eine Brustentzündung. Mein Frauenarzt hielt es auch jetzt wieder für eine Entzündung, die durch einen frühen Milcheinschuss verursacht werden kann. Ich bekam starke Unterleibsblutungen und musste am Sonntagabend in die Notaufnahme. Im Krankenhaus verlor ich mein Baby, die Ärzte konnten den Fötus nicht retten.

Wie haben die Ärzte den Tumor entdeckt?

Doris Niehaus-König: Durch die abrupte Beendigung der Schwangerschaft kam es zu einer Umstellung meines Hormonhaushaltes. Ich erinnere mich noch daran, wie stark ich geschwitzt habe. Ich konnte kaum schlafen. Ich war im Klinikum geblieben, fragte nach einem Kühlpack für meine linke Brust, die ich immer noch für entzündet hielt.

Die Krankenschwester konsultierte den Arzt. Dann ging auch schon die Diagnostik los. Zuerst die Mammografie und als sich der Tumorverdacht erhärtete, wurde auch direkt eine Biopsie durchgeführt. Da stellte sich heraus, dass es ein Tumor war. Die inflammatorische, also entzündliche Form, dazu noch hormonabhängig, und Lymphknoten waren auch befallen. Ich konnte keinen Knoten in der Brust ertasten, die gesamte Brust schmerzte.


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Der Inflammatorische Brustkrebs ist sehr aggressiv. Was haben Sie bei der Diagnose gedacht?

Doris Niehaus-König: Dass die Überlebenschancen beim inflammatorischen Brustkrebs damals so gering waren, habe ich erst später gelesen. Das haben die Ärzte mir nicht gesagt. Im Nachhinein bin ich froh darüber, dass man zu der Zeit nicht alles im Internet nachlesen konnte. Hätte ich die die schlechte Prognose gekannt, hätte ich sicher ganz anders auf die Krankheit reagiert.

So war der Tumor für mich einfach nur eine Warnung meines Körpers, dass ich ab jetzt endlich kürzer treten muss. Als eine lebensbedrohliche Gefahr habe ich ihn gar nicht wahrgenommen. Für mich war einfach klar: Den überlebe ich, ich will noch 15 Jahre haben. Ich sehe nicht ein, dass mein fünfjähriger Sohn ohne Mutter groß wird. Inzwischen sind es fast doppelt so viele Jahre!

Haben Sie der Diagnose auch etwas Positives abgewinnen können? 

Doris Niehaus-König: Gut fand ich, dass ich mehr Zeit mit meinem Sohn verbringen konnte. Ich hatte deswegen schon kurz vor der Diagnose von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung gewechselt. Wegen der unklaren Prognose entschied die Firma zum Ende der Probezeit, meinen Arbeitsvertrag nicht zu verlängern. So kam es, dass ich den ganzen Tag zuhause war. An den Therapietagen nahmen meine Eltern oder meine Schwiegereltern meinen Sohn zu sich. Mein Mann musste ja weiterhin arbeiten und morgens früh los.

Wie haben Sie die Therapie damals vertragen?

Doris Niehaus-König: Zuerst bekam ich eine neoadjuvante Chemotherapie, die im Jahr 1992 noch neu war. Mittlerweile ist sie eines der Hauptpfeiler der Behandlung von Brustkrebs. Auf die vier Chemotherapiezyklen sollte die Operation folgen. Danach waren zwei weitere Chemotherapiezyklen und eine Bestrahlung vorgesehen.

Die rein körperlichen Belastungen waren bei mir im Vergleich zu anderen Patientinnen gering. Ich hatte meist nicht einmal eine richtige Übelkeit, sondern nur ein mulmiges Gefühl im Bauch, wie bei einer Magenschleimhautentzündung. Krank fühlte ich mich nur ein bis zwei Tage nach der Chemogabe. Damals durfte man die Nacht noch im Krankenhaus verbringen. Einmal fragte ich sogar meine Ärztin: „Wenn ich einen aggressiven Tumor habe, bekomme ich doch sicher auch eine aggressive Chemotherapie?”
Die Ärztin sagte: „Ja, natürlich.”
Und ich fragte weiter: „Warum geht es mir dann so gut dabei?”
Darauf lachte sie: „Das fragen wir uns auch die ganze Zeit.”

Wie ist die Operation verlaufen? 

Doris Niehaus-König: Als Vorbereitung auf die Operation wurde nochmal eine Mammografie durchgeführt. Als der behandelnde Radiologe nach der Untersuchung die Bilder hatte, fragte er mich: „Wieso sind Sie denn hier?”
Darauf antwortete ich: „Ich habe Brustkrebs”
Da sagte er, dass ich gar keinen Krebs hätte. Das hat mich schon verwundert, immerhin hatte ich doch schon vier Chemotherapiezyklen bekommen.
Als meine Onkologin mit mir die Bilder durchging, stellte auch sie mit Erstaunen fest, dass tatsächlich nichts Bösartiges mehr zu sehen war. Auch in der anschließenden OP fanden die Chirurgen kein Tumorgewebe.

Die Ärzte vermuteten, dass die Schwangerschaft als Nahrungsgrundlage für den Tumor gedient hatte. Als sie beendet wurde und noch die Chemotherapie kam, hatte der Tumor keine Chance mehr. Die Operation musste aber trotzdem durchgeführt werden. Da ich große Brüste hatte, wurde verdächtiges Gewebe aus meiner linken Brust entfernt und das Volumen der rechten Brust angepasst. Die Chirurgen entfernten auch einige Achsellymphknoten. Die Operation stand ich ohne große Schmerzen durch. Allerdings hatte ich während der Operation einen großen Blutverlust, sodass ich Bluttransfusionen bekam. Bis auf eine Narbenstelle, die nicht so gut verheilen wollte, lief auch im späteren Verlauf alles gut.

Mussten Sie nach der Operation eine Antihormonbehandlung machen? 

Doris Niehaus-König: In der Laboranalyse fanden die Ärzte ebenfalls keine bösartigen Zellen mehr. Deshalb musste ich keine Antihormonbehandlung machen. Da war eine Erleichterung, weil ich ja sonst mit 35 Jahren in die Menopause gekommen wäre.

Es stand nur noch die Strahlentherapie an, von der ich wegen meiner Neurodermitis leichte Verbrennungen bekam. Aber auch das war erträglich. So richtig krank fühlte ich mich nicht. Im März 1993 hatte ich meine letzte Strahlenbehandlung.

Bestand nach der Operation für Sie die Chance, wieder schwanger zu werden? 

Doris Niehaus-König: Die Ärzte empfahlen nach der Chemotherapie mindestens zwei Jahre lang abzuwarten. Denn mögliche keimschädigende Nebenwirkungen der Chemotherapie brauchen wohl länger, bis sie nachlassen. Ich sollte also bis zu meinem 38. Lebensjahr warten. Ein Geschwisterkind hätte ich mir für meinen Sohn schon gewünscht. Aber wann wäre ich dann tatsächlich schwanger geworden? Die Altersdifferenz war uns doch zu groß. Dieser Aspekt und das Risiko, dass Schwangerschaftshormone in meinem Fall den Krebs genährt haben und das ja auch wieder tun könnten, waren der Grund, weshalb wir doch auf weitere Kinder verzichtete. Unserem Sohn hat es dann auch gut gefallen, Einzelkind zu sein.

Heute gehen Frauen nach der Therapie für drei Wochen in eine Reha-Einrichtung. War das damals auch schon so? 

Doris Niehaus-König: Ja, auch damals wurde mir das angeboten. Mein Sohn durfte mich begleiten, da er zu Hause nicht betreut werden konnte. Zur gleichen Zeit sollte auch mein Mann in die Reha wegen eines Bruchs am Handgelenk. Die Sozialarbeiterin von meiner Rehaeinrichtung rief mich an und wollte wissen, ob mein Mann auch mitkäme. Da die Klinik auch eine orthopädische Ausrichtung hatte, war das möglich.

Wir fuhren also zu Dritt in die Rehaklinik. Ich bekam ein Rehaprogramm, mein Mann bekam eins und auch unser Sohn nahm am Kinderprogramm der krebskranken Kinder teil. Meinem Sohn hat es sehr gefallen. Als ich später von einer zweiten Reha sprach, meldete er sich direkt zu Wort: „Aber nicht ohne mich, ich will auch mit!”


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Gingen Sie in den Folgejahren wieder arbeiten? 

Doris Niehaus-König: Auch wenn ich während der Behandlungsphase selbst keine großen Beschwerden hatte, machten sich mit den Jahren die Langzeitfolgen der Therapie deutlich bemerkbar. Auch heute bin ich körperlich nur wenig belastbar. Durch die fehlende Langzeitprognose bei meiner Krankheit und die schlechte Arbeitsmarktlage in den Jahren 1992 und 1993 wurde mir ein Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt, erstmal befristet für 22 Monate. Alle zwei Jahre wurde von der BfA überprüft, ob die Voraussetzungen für die EU-Rente noch gegeben waren.

Nach mehr als 15 Jahren erhielt ich einen Bescheid über die unbefristete Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Seit dem letzten Jahr erhalte ich Altersrente für Schwerbehinderte.

Gingen Sie Hobbys nach? 

Doris Niehaus-König: Als Jugendliche war ich sportlich sehr aktiv gewesen. Ich war auch als Übungsleiterin tätig gewesen. Nun machte ich die Ausbildung zum Übungsleiter „Sport in der Krebsnachsorge“ und leitet über viele Jahre zwei Kurse in der Familienbildungsstätte. Es kamen Kinderturngruppen in einem Sportverein und Sitzgymnastik für ältere Menschen dazu. Zeitweise leitete ich acht Sportgruppen.

In den Jahren 2003 und 2004 erkrankte ich an Kollagenose (Bindegewebsrheuma) und Fibromyalgie. Das sind Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem gesunde Zellen angreift. Man leidet an Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Muskelschmerzen. Es belastete mich stark, wenn ich den Gruppen kurzfristig absagen musste. Ich fing an, die Gruppenzahl abzubauen. Vor zwei Jahren habe ich dann die letzte Gruppe abgegeben.

Sie haben die linke Brust im Jahr 2008 – also 16 Jahre nach der Operation – ästhetisch verändert. Wie kam es dazu? 

Doris Niehaus-König: Im Jahr 2008 nahm ich an der Bundesversammlungtagung der Frauenselbsthilfegruppe nach Krebs teil. Ein Arzt hielt einen Vortrag über Brustaufbau mit Eigenfettgewebe. Mir war in der Zwischenzeit aufgefallen, dass die Bestrahlung das Aussehen meiner linken Brust verändert hatte. Sie war geschrumpft und vernarbt, was Schmerzen verursachte. Mir wurde ein Implantat vorgeschlagen, aber einen Fremdkörper wollte ich nicht in mir tragen. Als ich von dem Brustaufbau mit Eigenfett hörte, war ich begeistert. Das war doch was für mich! Ich stellte mich bei Ärzten vor und war geeignet für die Behandlung. Im Sommer 2009 wurde ich mit 52 Jahren mein Bauchfett los, dafür war meine linke Brust wieder schön und schmerzfrei.

Was würden Sie anderen Frauen mit einer Brustkrebsdiagnose empfehlen?

Doris Niehaus-König: Die Krankheit annehmen und das Beste daraus machen. Es gibt eine gute Chance auf Heilung und Überleben. Brustkrebs ist in den meisten Fällen kein Todesurteil und lässt sich heute sogar noch besser behandeln als damals. Ich bin jetzt 29 Jahre krebsfrei. Ich bin der Beweis dafür, dass man mit der Diagnose Brustkrebs noch lange leben kann.

Die Fragen stellte Enfal-Nur Celik 

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