Dr. med. Tobias Gampert
Dr. med. Tobias Gampert, Foto: Klinik Roderbirken

Dr. med. Tobias Gampert leitet als Ärztlicher Direktor die Klinik Roderbirken in Leichlingen/ Rheinland. Jedes Jahr kommen Tausende von Patienten mit Herzproblemen in diese Reha-Einrichtung.

Herr Dr. Gampert, mit welchen Erkrankungen kommen Menschen am häufigsten in Ihre Klinik?
Dr. Gampert: Am häufigsten kommen Menschen mit einer koronaren Herzerkrankung zu uns. Die meisten hatten einen Herzinfarkt und haben anschließend einen Stent in die Herzkranzarterie implantiert bekommen, bei vielen musste die Durchblutung des Herzmuskels durch eine Bypass-Operation verbessert werden. Menschen mit diesen Vorgeschichten machen 75 Prozent unserer Patienten aus. Auch Patienten mit Herzklappenoperationen, Herzmuskelerkrankungen, Kunstherzsystemen oder transplantierten Herzen werden bei uns behandelt.

Kann man sich seine Reha-Klinik aussuchen oder wird sie einem zugewiesen?
Dr. Gampert: Seit 01. Juli 2023 sind Patienten grundsätzlich berechtigt, sich eine zu Ihrem Krankheitsbild passende Klinik für die Rehabilitation praktisch in ganz Deutschland auszuwählen. Diese Regelung wird im Sozialgesetzbuch IX „Wunsch- und Wahlrecht“ genannt.

Was steht zu Beginn eines Aufenthaltes in der Klinik Roderbirken für die Patienten an?
Dr. Gampert: Am ersten Tag werden den Rehabilitanden, nachdem die Aufnahmeformalitäten erledigt wurden und Sie ihr Zimmer bezogen haben, im Rahmen einer kleinen Führung durch Servicepersonal die verschiedenen Bereiche der Klinik gezeigt. Danach erfolgt die pflegerische Aufnahme. Die Patienten werden zum Beispiel gefragt, ob sie spezielle Diäten benötigen und ihnen wird gezeigt, wie sie den Blutdruck selbst messen können. Im Anschluss erfolgt die ärztliche Aufnahmeuntersuchung. Am zweiten Tag beginnen dann die Therapien.

Vier Therapiebausteine verbessern die Behandlungsprognose in Ihrer Klinik: eine optimal abgestimmte medikamentöse Therapie, Sport- und Bewegungstherapie, Ernährungsberatung und psychologische Einzel-und Gruppentherapie inklusive Raucherentwöhnung. Wenn Patienten sich hier bestmöglich beteiligen, wird ihr Genesungsprozess optimiert und die Prognose verbessert. Im Vergleich zu anderen Herz-Kreislauf-Rehakliniken legen Sie großen Wert auf die psychologische Betreuung der Patienten mit einem besonderen psycho-kardiologischen Konzept. Was versteht man darunter?
Dr. Gampert: Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben häufig psychische Begleiterkrankungen, die die Prognose negativ beeinflussen können. Viele leiden zum Beispiel an Depressionen oder Angststörungen. Auch Anpassungsstörungen spielen eine Rolle, weil sich das Leben zum Beispiel durch einen Herzinfarkt schlagartig verändert. Deshalb haben wir spezielle Gruppenangebote zur Krankheitsverarbeitung und Stressbewältigung. Wir haben darüber hinaus eine Gesprächsgruppe, in der über den Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz gesprochen wird – da geht es oftmals um das Thema Mobbing. Wir bieten ergänzend natürlich auch psychologische Einzelgespräche und Entspannungstherapien an.

Kann man sich das Programm in der Reha selbst zusammenstellen oder wird es vorgegeben?
Dr. Gampert: Grundsätzlich wird für jeden Patienten ein individueller Behandlungsplan erstellt. Je nachdem, wie schwer er oder sie erkrankt ist, werden bestimmte Therapie-Module zugeteilt. Besondere Wünsche werden selbstverständlich berücksichtigt. Einige interessieren sich zum Beispiel für die Gestaltungs- und Kunsttherapie, andere wollen gerne in die Lehrküche; wenn jemand nach einem Herzinfarkt kaum Beschwerden hat, dann bekommt er logischerweise weniger physiotherapeutische Einheiten als jemand mit starken Schmerzen nach einer Bypass-OP.

Es gibt aber bestimmte Therapieformen, die fast alle unsere Patienten erhalten. In der Regel nimmt jeder am Fahrradergometer-Training teil, es sei denn, er ist noch nicht ausreichend belastbar. Außerdem bekommt jeder eine Form von Gruppengymnastik in der Halle. Und das Terrain-Training, das draußen stattfindet, machen eigentlich auch alle mit. Patienten mit Einschränkungen spazieren dabei in Begleitung eines Therapeuten nur um einen kleinen Teich, beschwerdearme Rehabilitanden nehmen an der Walking-Gruppe teil und bewegen sich dabei strammen Schrittes auf dem weitläufigen Klinikgelände.

Dürfen die Patienten Alkohol trinken oder rauchen?
Dr. Gampert: Alkoholische Getränke sind grundsätzlich untersagt, im Restaurant gibt es gelegentlich alkoholfreies Bier. Draußen wird in einem kleinen Bereich in angemessener Entfernung zum Klinikgebäude das Rauchen geduldet, jeder Patient muss zu Beginn der Reha aber grundsätzlich seine Bereitschaft signalisieren, an einem Programm zur Raucherentwöhnung teilzunehmen. Etwa 65 Prozent unserer Patienten schaffen die Entwöhnung auch tatsächlich und sind auch ein Jahr nach der Entlassung noch rauchfrei. Nach überstandener Herz-Kreislauferkrankung sehen viele ihren Tabakkonsum mit anderen Augen.

Die Krankenkasse erstattet Patienten bestimmte Hilfsmittel. Welche Medizinprodukte können Herzpatienten verschrieben bekommen?
Dr. Gampert: Der Hausarzt verschreibt in der Regel Blutdruckmessgeräte. Es gibt auch Geräte, die Blutgerinnungswerte messen, wenn blutverdünnende Medikamente eingenommen werden. Und ein Rollator kommt in Frage, wenn Menschen wegen ihrer Herzerkrankung nur noch eingeschränkt mobil sind. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen prüft bei älteren Patienten vor Ort zu Hause, ob weitere Hilfsmittel nötig sind, zum Beispiel eine Toilettensitzerhöhung.

Auch in Ihrer Klinik werden medizintechnische Untersuchungen durchgeführt, zum Beispiel ein Belastungs-EKG. Ändert sich durch solche Untersuchungen manchmal die Diagnose der Patienten?
Dr. Gampert: Die Haupt-Diagnose bleibt zumeist unverändert. Es kann aber durchaus sein, dass wir aufgrund eines bestimmten Befundes den Fokus der Behandlung verändern. Manche Patienten haben z.B. nach einem Herzinfarkt eine deutlich eingeschränkte Pumpleistung der linken Hauptkammer des Herzens. Wenn wir das im Rahmen einer Herzultraschalluntersuchung sehen, können wir den Patienten durch eine optimierte medikamentöse Therapie oder durch spezielle Geräte vor bedrohlichen Herzrhythmusstörungen schützen.

Die Fragen stellte Lukas Hoffmann