Deutsche Experten der Da Vinci Robotik
Sie haben viel Erfahrung mit dem OP-Roboter Da Vinci: Dr. Hölzen (links) und Prof. Dr. Pascher

Etwa 100 Da Vinci Operationsroboter sind in deutschen Kliniken im Einsatz. Insbesondere bei Prostatakrebs wird oft mit Da Vinci operiert. Doch wie verändert der Roboter die Arbeit im OP-Saal? Wir sprachen mit Prof. Dr. med. Andreas Pascher und Dr. med. Jens Peter Hölzen über die Anwendung in der Praxis.

Klinik Kompass: Welche Vorteile bringt das Da-Vinci-System dem Patienten? 

Prof. Dr. Pascher: Unsere Patienten profitieren von Roboter-assistierter Chirurgie auf vielfache Weise. Die Operationen sind einerseits weniger belastend, unsere Patienten erholen sich schneller, die Klinikaufenthalte sind kürzer. Auf der anderen Seite können wir Patienten, die in klassischer laparoskopischer Weise nicht hätten versorgt werden können, mit der Roboter-assistierten Chirurgie minimalinvasiv auf höchsten Niveau operieren. Errungenschaften wie eine vielfache Vergrößerung, im Körper abgewinkbare Geräte oder die Möglichkeiten der Einblendung von Schnittbilddateien erweitern das minimalinvasive Spektrum und erleichtern zum Beispiel große resezierende Operationen an der rechten Leber.

Dr. Hölzen: Zudem ist das Da Vinci-System auch für uns als Operateure förderlich. Wir haben einen 3D-Blick, absolut ruhige Bilderverhältnisse und einen deutlich geringeren Kraftaufwand. Wir können ohne Nacken- und Rückenschmerzen Operationen für eine lange Zeit hochkonzentriert durchführen. Die Hauptvorteile begründen sich in der enormen Präzision, und Beweglichkeit auf kleinstem Raum. Während die menschliche Hand fünf Freiheitsgrade besitzt, verfügt der Roboter über sieben Freiheitsgrade.

Welchen Stellenwert hat die technische Ausstattung für Patienten bei ihrer Klinikwahl? Kommen Patienten zu Ihnen, weil sie von dem Da Vinci System gehört haben?

Prof. Dr. Pascher: Definitiv ja. Wir beobachten in einem zunehmenden Maß Patienten, die sich selbst über moderne Behandlungsmethoden informieren. Offenbar bestimmt nicht mehr der Hausarzt alleine den weiteren Weg des Patienten. Diese informieren sich im Internet über moderne Methoden und das Spektrum unterschiedlicher Kliniken. Es ist für viele Patienten von erheblicher Bedeutung, ob ein Klinikum sämtliche Möglichkeiten nutzt, die Morbidität zu senken, auf neuste Technologien setzt und moderne Methoden anbietet.

Gibt es weitere Robotik, die Sie vor kurzem an Ihrer Fachklinik eingeführt haben? 

Dr. Hölzen: Im Bereich der Allgemein- und Viszeralchirurgie sind wir zunächst mit der Roboter-assistierten Chirurgie durch das Da Vinci System zufrieden und benötigen aktuell auch keine weiteren roboterbetriebenen Assistenzsysteme vor Ort.

Prof. Dr. Pascher: Es wird natürlich über weitere Möglichkeiten der roboterassistierter Chirurgie geforscht, zum Beispiel über autonome Operationssysteme. Diese sind aber noch keine klinische Realität. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man sich autonome Systeme in der Allgemein-und Viszeralchirurgie noch nicht vorstellen – ähnlich wie autonomes Fahren noch nicht im Straßenverkehr möglich ist, weil sich das System noch nicht bewährt hat und auch viele Fragen insbesondere auch ethischer Natur nicht geklärt sind. Es handelt sich bei der Da Vinci Robotik um ein Master-Slave-Assistenzsystem, das sich de Facto als Verlängerung unseres eigenen Operationsarms darstellt. Mittelfristig sehen wir noch nicht den Einsatz vollautonomer Systeme in der Viszeralchirurgie. Dass es hier natürlich Fortentwicklungen geben wird, wie zum Beispiel haptische Rückmeldungen etc., ist aber absehbar.

Sie fassen Ihre Rolle als Arzt seit Da Vinci also nicht anders auf? 

Prof.  Pascher: Auf keinen Fall. Es wird zu keinem Zeitpunkt die Entscheidung aus der Hand gegeben. Es gibt diesen schönen Begriff des Telemanipulators, das heißt, dass man über Bildsysteme und assistierten Systeme seine Armreichweite verlängert und bestimmte Unzulänglichkeit des menschlichen Körpers, wie das beschränkte Sehvermögen oder Müdigkeit oder das Zittern von Muskeln, ausgleicht. Hierfür eignet sich die Da Vinci Robotik ausgezeichnet.

Wie hat sich die Arbeit auf Station seit der Einführung von der Da Vinci Technologie verändert. Welche Entwicklungen sehen Sie für die Zukunft?

Dr. Hölzen: Durch die roboterassistierte Chirurgie wachsen Teams stärker zusammen. In der konventionellen Chirurgie hat nur der Operateur und in einem geringeren Maße der Assistent Einblick in den Operationssitus. Bei der minimalinvasiven Chirurgie können alle Beteiligten die Operation verfolgen und gegebenenfalls Einfluss nehmen. So kann die instrumentierende Pflegekraft zum Beispiel Instrumente für den nächsten Operationsabschnitt vorbereiten, weil sie den Fortschritt der Operation am Bildschirm verfolgen kann. Ebenso stehen alle an der Operation beteiligten im aufmerksamen Dialog: „Da vorne blutet es noch ein bisschen.“ Man tritt durch Da Vinci stärker als Team auf, das ist ein großer Vorteil.
Was die Zukunft betrifft, wird sich meiner Ansicht nach gar nicht mehr viel verändern, denn die roboterassistierte Chirurgie ist nur eine Form der minimalinvasiven Therapie und bereits seit Jahren praktizierte Realität. Weltweit wurden mittlerweile circa 5 Millionen Operationen mit Da Vinci durchgeführt, allein im letzten Jahr waren es rund 870.000 Eingriffe.

Klinik Kompass: Herr Prof. Dr. Pascher, Herr Dr. Hölzen, vielen Dank für das Gespräch!

Prof. Dr. med. Andreas Pascher ist Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantionschirurgie des Universitätsklinikums Münster. Zuvor war er stellvertretender Direktor der chirurgischen Klinik der Charité Berlin, die onkologische und rekonstruktive Viszeralchirurgie unter Einsatz computergestützter Operationssysteme gehört zu seinen Arbeitsschwerpunkten.

Dr. med. Jens Peter Hölzen ist geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums Münster. Als Bereichsleiter der Roboter-assistierten Chirurgie ist er an der Uniklinik Münster ein zentraler Ansprechpartner, wenn es um die Arbeit mit dem Da Vinci Roboter geht. 

Beitragsbild: ©Universitätsklinikum Münster