In Italien gilt eine strikte Ausgangssperre. ©rottonara

Eine Sorge treibt viele Menschen derzeit in Deutschland um: Was passiert, wenn man selbst oder ein naher Angehöriger schwer an dem Coronavirus erkrankt? In Italien sind die Intensivstationen heillos überfüllt, dementsprechend groß ist die Verzweiflung bei Ärzten und Angehörigen: Beatmungsgeräte müssen bei älteren Patienten abgeschaltet werden, um jüngere zu retten. Wird die Corona-Krise das deutsche Gesundheitssystem ebenso hart treffen?

Die Antwort lautet: Nein! Das liegt vor allem daran, dass wir mehr Zeit haben, uns auf die Corona-Krise vorzubereiten.

Noch sieht es überall in Deutschland in den Krankenhäusern aus zweierlei Gründen gut aus. Erstens gibt es hier weniger Infizierte als in Italien, zweitens stehen mehr Intensivbetten zur Verfügung. Deutschlandweit gibt es rund 33.500 Infizierte bei 28.000 Intensivbetten, in Italien sind es 74.000 Infizierte bei nur 5.000 Intensivbetten (Stand der Zahlen: 25. März).

Ein weiterer deutscher Vorteil: Eine Echtzeit-Abfrage der Klinik-Kapazitäten ist auf der Website DIVI-Intensivregister möglich. Dabei zeigt ein einfaches Ampelsystem an, wie viele Intensivbetten in den jeweiligen Kliniken frei sind. Unterschieden wird zwischen Low-care-Betten (geringer Betreuungsbedarf), high-care-Betten (schwer Kranke) und ECMO-Betten (für schwerkranke Beatmungspatienten). Das Register veranschaulicht, dass einzelne Krankenhäuser in den verschiedenen Städten zwar bereits voll belegt sind (rot), es aber in jeder Stadt Kliniken gibt, die noch freie Kapazitäten haben.

Im Ernstfall ist diese Plattform Gold wert, weil Intensivpatienten so schnell zur nächsten noch freien Klinik geleitet werden können. Über ein solches Online-Werkzeug verfügt Italien nicht.

Neben freien Betten, braucht es noch zwei weitere Dinge, um gut durch die Corona-Krise zu kommen: Klinikpersonal und die Einsicht der Bürger.

Bei Letzterem sieht es gut aus. Viele Menschen folgten der Bitte von Angela Merkel und bleiben seit dem Wochenende zuhause. Folglich wurde am Sonntag, 22. März, kein totaler Shutdown verordnet. Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, sagte gegenüber dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, dass es Hinweise darauf gibt, dass sich das exponentielle Wachstum der Kurve in Deutschland abschwächt. Auch in Italien schwächt sich die Kurve ab, allerdings kommt die Abflachung zu spät. Das Gesundheitssystem ist dort bereits kollabiert mit über 7.500 Corona-Todesfällen. In Deutschland sind bislang weniger als zweihundert Menschen dem Coronavirus erlegen.  

Die Frage, ob in Deutschland ausreichend Personal zur Verfügung steht ist noch nicht geklärt. Der Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt bat vergangene Woche Ärzte im Ruhestand und Medizinstudierende um Mithilfe.

Aber auch wenn die Personalsituation in Krankenhäusern in Deutschland seit Jahren schwierig ist, in Italien sieht es noch schlechter aus. In den vergangenen Jahren wurde dort Ausstattung und Personal abgebaut und das Budget für Gesundheitsausgaben immer weiter gekürzt auf 8,84 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In Deutschland hingegen stieg es an, auf zuletzt 11,25 Prozent des BIPs.

Und wann ist der ganze Spuk wieder vorbei? Hierzu liefert die Visualisierung des jungen IT-Entwicklers Manuel Blechschmidt erhellende Einblicke. Er hat am Wochenende zusammen mit 40.000 Menschen am Hackathon #WirVsVirus teilgenommen, um digitale Lösungen in der Corona-Krise zu finden.

Zusammen mit neunzehn anderen Beteiligten hat Blechschmidt eine Simulation entwickelt, mit der gezeigt wird, wie sich der Virus in Nordrhein-Westfalen ausbreitet. Dazu hat er sich eines Datenmodells von Forschern der Universität Basel bedient, das auch schon das Wochenmagazin DER SPIEGEL für verschiedene Pandemiemodelle benutzt hat.

Die Karte zeigt die Klinikauslastung in den beiden Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zum Höhepunkt der Anzahl der Infizierten Ende Mai. Die roten Bubles stellen vollausgelastete Kliniken dar, türkisene Bubles stehen für Kliniken, die noch Intensivpatienten aufnehmen können. ©Screenshot_You_Tube

Seine Berechnung zeigt: Wenn der derzeitige moderate Shut-Down weiterhin bestand hat, wird es Ende Mai zu einem Höhepunkt der Corona-Krise in NRW kommen. Es gibt dann ungefähr genauso viele Krankenhäuser die vollbelegt sind wie Kliniken, die noch Kapazitäten frei haben. Klinikbetreibern stellt Blechschmidt seine Berechnung hier kostenlos zur Verfügung.

Das Bedeutet: Wenn wir genug Personal haben, der Austausch von Patienten zwischen den Krankenhäusern gelingt und die Menschen sich an das vorgeschriebene Kontaktverbot halten, können wir in Deutschland das Fiasko, das in Italien gerade stattfindet, abwenden. Allerdings müssen wir uns darauf einstellen, dass die Situation auch im Juni noch nicht entschärft ist.