Jens Juszczak

Jens Juszczak beschäftigt sich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg seit vielen Jahren mit Medizintourismus. In diesem Interview gibt er ausländischen Patienten wichtige Tipps.

Kein Forscher in Deutschland kennt sich mit dem Medizintourismus besser aus als Jens Juszczak, denn deutschlandweit hat nur er sich als Wissenschaftler auf dieses Forschungsgebiet spezialisiert. Deshalb wird er von Funk und Fernsehen interviewt, sobald es um den Medizintourismus geht und auch der deutsche Bundestag schätzt ihn als Fachmann und bezieht seine Einschätzung in Debatten ein.

Klinik Kompass: Als Medizintouristen bezeichnet man Gäste aus dem Ausland, die nach Deutschland kommen, um sich hier behandeln zu lassen. Wie viele ausländische Patienten kommen pro Jahr?

Jens Juszczak: 2017 ließen sich rund 247.500 Patienten aus 177 Länder stationär oder ambulant in Deutschland behandeln. Man muss bei den Patientenzahlen allerdings zwischen geplanten und ungeplanten Krankenhausaufenthalten unterscheiden. Auch ausländische Gäste, die während eines Urlaubs oder auf der Durchreise verunglücken oder erkranken, werden statistisch als ausländische Patienten erfasst.

Klinik Kompass: Patienten aus dem Ausland müssen betreut werden. Die Befunde müssen an das Klinikum verschickt werden, der Flug muss gebucht werden und in Deutschland müssen die Arzt-Patienten-Gespräche übersetzt werden. Die Betreuung übernehmen zum Teil Patientendienstleister, also Agenturen oder Einzelpersonen, die sich auf die Betreuung von Patienten aus einem bestimmten Kulturkreis spezialisiert haben. Es ist nicht leicht, einen guten Patientenbetreuer zu finden.  In einem Interview mit dem Deutschlandfunk, in dem auch Sie zu Wort kommen, schätzt ein russischsprachiger Patientenvermittler, dass 80 bis 90 Prozent der Vermittler unseriös sind. Wieso gibt es hier so viele schwarze Schafe?

Jens Juszczak: Eine Patientenvermittlung gegen Entgelt ist seit vielen Jahren gesetzlich untersagt, nur das Erbringen patientennaher Dienstleistungen, wie das Dolmetschen oder die Betreuung, ist rechtlich möglich. Problematisch sind in diesem Geschäftsfeld das Hoffen auf das schnelle Geld und die fehlenden Kenntnisse über das deutsche Gesundheitssystem, die Medizin und die Prozesse im Krankenhaus oder das Abrechnungssystem. Es gibt keinerlei Vorgaben, jeder kann als Patientenbetreuer tätig werden. Häufig ist ein mehrjähriger Aufenthalt in Deutschland das einzige Kriterium, die Patientenvermittler vorweisen können. Es fehlt vor allem an staatlicher Regulierung und Kontrolle in diesem Bereich, wie der Skandal um das Klinikum Stuttgart zeigt.

Klinik Kompass: Nun kann man sich als ausländischer Patient ja auch an die International Unit (IU) eines Klinikums wenden, denn hier wird zum Teil ebenfalls das Versorgungsgesamtpaket von der Visa-Beantragung bis zum Shuttle-Service angeboten. Aber wie der Fall des Stuttgarter Klinikums zeigt, wird auch von Krankenhäusern z.T. Misswirtschaft betrieben. Der ehemalige Leiter der International Unit des Klinikums, Andreas Braun, sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Es besteht der Verdacht, dass u.a. bei der Behandlung von 371 lybischen Kriegsversehrten im Jahr 2012 Gelder veruntreut wurden, weil für vergleichsweise einfache Behandlungen astronomische Summen abgerechnet wurden. Wie war es überhaupt möglich, dass hier ganz andere Kosten in Rechnung gestellt wurden als für deutsche Patienten?

Jens Juszczak: Nur wenige internationale Abteilungen bieten solches Servicepakete wie in Stuttgart an. Eine Vielzahl von rechtlichen und steuerlichen Gründen spricht dagegen. Das Thema der Leistungsabrechnungen ist in Deutschland eindeutig durch das Krankenhausentgeltgesetz geregelt. Hier steht in § 8 Absatz 1 Satz 1, dass man bei Patienten nicht nach der Herkunft unterscheiden darf. Der ausländische Patient muss folglich genauso abgerechnet werden, wie der deutsche Patient. Wie zusätzlich erbrachte Aufwendungen abgerechnet werden sollen, hat der Gesetzgeber allerdings nicht geregelt. Daher werden diese oftmals über Pauschalen oder eine erhöhte Baserate und GOÄ-Steigerungsfaktoren dem Auslandspatienten in Rechnung gestellt. Dies war wohl auch in Stuttgart so. Allerdings geht die Höhe der gestellten Rechnungen, in den von uns geprüften Fällen, oft weit über ein nachvollziehbares Maß hinaus.

Klinik Kompass: Gerade, was die ärztliche Abrechnung angeht, blicken nicht einmal die meisten Patienten in Deutschland durch. Wie findet ein Patient aus dem Ausland einen vertrauenswürdigen Partner?

Jens Juszczak: Sollte die Einbeziehung eines externen Dienstleisters notwendig oder gewünscht sein, empfiehlt es sich, direkt mit dem Anbieter den Umfang und die Kosten der Leistungen zu vereinbaren. Die Qualität der erbrachten Leistungen und die Höhe der Rechnungssumme hängen oftmals von der Expertise des Patientendienstleisters ab. Diese lässt sich für den Patienten oft nur schwer überprüfen. Einige Prüfkriterien sind eine Approbationsurkunde, eine Prüfungsurkunde als Dolmetscher oder fachlich relevante Weiterbildungsnachweise. Bei der Rechnungskontrolle sollte der Patient prüfen, ob nur die vereinbarten Leistungen berechnet wurden, erforderliche Pflichtangaben wie beispielweise Rechnungsnummer, Steuernummer bzw. die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Ausstellers sowie eine ausgewiesene Umsatzsteuer enthalten sind. Zusätzlich ist zu prüfen, dass vom Dienstleister in Rechnung gestellte Posten nicht noch einmal auf der Klinikrechnung auftauchen.

Klinik Kompass: Das heißt, Patienten aus dem Ausland sollten bei der Wahl des Vermittlers auf eine gewisse Erfahrung achten. Ist es dann besser sich an eine große Agentur zu wenden und nicht an eine Einzelperson, weil größere Agenturen oft bereits langjährig tätig sind?

Jens Juszczak: Nein, das kann man leider so nicht sagen. Von Agenturgröße, Rechtsform oder einer langjähriger Tätigkeit lassen sich nur bedingt Rückschlüsse auf Seriosität und Vertrauen ziehen. Insbesondere die Ermittlungen deutscher Behörden sowie ausländischer Rechnungsprüfungseinrichtungen legen den Schluss nahe, dass auch die großen Dienstleistungsanbieter möglicherweise nicht die beste Wahl sind.

Klinik Kompass: Wenn es nicht so einfach ist, einen seriösen Patientenvermittler zu finden, wie kommen Patienten aus dem Ausland dann zu einem passendem Klinikum?

Jens Juszczak: Es ist empfehlenswert, sich direkt – ohne Zwischenschaltung eines Dienstleisters – an die Klinik zu wenden. Auf Auslandspatienten spezialisierte Kliniken verfügen oft über internationale Abteilungen und mehrsprachige Internetseiten, wo potenzielle Patienten ihre Anfragen platzieren können. Von den Kliniken erhalten diese dann einen Behandlungsplan und einen Kostenvoranschlag. Da Patienten meist mehrere Kliniken kontaktieren, können diese miteinander verglichen werden. Die gestellten Rechnungen lassen sich bei Zweifeln an der Höhe einzelner Posten durch Abrechnungsspezialisten oder Fachanwälte für Medizinrecht überprüfen.

Klinik Kompass: Herr Juszczak, vielen Dank für das Gespräch! 

Seit dem Jahr 1999 arbeitet Jens Juszczak als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Seine Forschungsergebnisse zum Medizintourismus veröffentlicht er regelmäßig in Fachbüchern und Fachzeitschriften. 

Beitragsbild: @Hochschule Bonn-Rhein-Sieg