Welche Therapiemethode ist erfolgsversprechender beim Prostatakarzinom: Die Operation oder die Strahlenbehandlung? Auf diese Frage antworten Ärztinnen und Ärzten auf dem 77. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie in Hamburg.

Es kommt darauf an. So könnte man die Antwort auf die oben stehendes Frage zusammenfassen. Nicht nur Angelika Borkowetz, Anne-Sophie Knipper und Jonas Ekrutt, die im Video sprechen, vertraten die Meinung, dass sowohl die Bestrahlung als auch die Operation beim Prostatakarzinom gleichwertige Heilverfahren sind. Es war auch Konsens auf dem 77. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie. So wurde beispielsweise die Protect-Studie diskutiert, eine große, prospektive Studie. Sie zeigt, dass es in einem Beobachtungszeitraum von 15 Jahren keinen relevanten Unterschied zwischen den beiden Therapiemethoden Bestrahlung und Operation gibt. Auch in der im Juli veröffentlichten Leitlinie für das Prostatakarzinom, an der sich Ärztinnen und Ärzte bei ihrer Therapie orientieren, gilt der Grundsatz der Gleichwertigkeit der beiden Therapieverfahren.

Anne-Sophie Knipper, die als Oberärztin am Prostatazentrum der Vivantes Kliniken in Berlin arbeitet, rät jüngeren Patienten eher zu einer Operation. So haben sie im Falle einer Rückkehr des Tumors die Option einer Salvage-Radiotherapie. Älteren Patienten empfiehlt sie hingegen eher eine Bestrahlung. Denn diese ist weniger invasiv und gerade für Menschen mit Begleiterkrankungen besser zu vertragen. Dennoch treffe sie die Entscheidung für eine bestimmte Therapie immer gemeinsam mit dem Patienten, indem sie erklärt, „was die Vor- und Nachteile der jeweiligen Behandlung sind“.

Die Heilungswahrscheinlichkeit sei mit beiden Verfahren gleich gut, sagt auch Jonas Ekrutt, Oberarzt an der Hamburger Martini-Klinik. „Deshalb muss man gemeinsam mit dem Patienten entscheiden, was für wen am besten geeignet ist.“

So kann es zum Beispiel sein, dass weder die OP, noch die Bestrahlung notwendig ist, weil der Patient lediglich einen lokal begrenzten Tumor mit niedrigem Risikoprofil in sich trägt. Laut Leitlinie wird in diesem Fall eine aktive Überwachung des Patienten empfohlen.

„Für einen normal fitten Mann zwischen 50 und 75 Jahren sind beide Therapieoptionen möglich“, sagt Angelika Borkowetz, Direktorin der Urologischen Klinik der Universitätsmedizin Rostock. Welche Therapie letztlich gewählt wird, hängt vom Alter des Patienten, von seinen Nebenerkrankungen und seinen persönlichen Präferenzen ab.

Argumente für oder gegen eines der Verfahren (laut Leitlinie)

Aspekt Operation – Entfernung der Prostata (RPE)Bestrahlung von außen (RT)
HeilungschancenHeilungschance ist ungefähr genauso gut wie bei der Bestrahlung.Heilungschance ist ungefähr genauso gut wie bei der Operation.
Blasenfunktion – Halten des UrinsNachteil: Höheres Risiko, den Urin nicht gut halten zu können (Harninkontinenz).Vorteil: Geringeres Risiko für Probleme mit dem Urin­halten als nach der Operation.
Potenz / ErektionNachteil: Höheres Risiko für Erektionsstörungen (erektile Dysfunktion).Vorteil: Etwas geringeres Risiko für Erektionsstörungen im Vergleich zur Operation.
Darm-Nachteil: Höheres Risiko für Darmprobleme, z. B. Reizung oder Entzündung des Enddarms (chronische Proktitis: Blut im Stuhl, häufiger Stuhldrang, Brennen).
Nebenwirkungen an Blase / Harnwegen durch Bestrahlung-Bei bestimmten Bestrahlungsschemata mit höheren Einzeldosen (Hypofraktionierung) kann das Risiko für Nebenwirkungen an Blase und Harnwegen (z. B. Brennen beim Wasserlassen, häufiger Harndrang) etwas erhöht sein. Zusätzlich kann es kurzfristig zu einer Verschlechterung der Blasenfunktion kommen (z. B. Blase lässt sich schlechter entleeren).
Operations-/WundrisikenNachteil: Wie bei jeder größeren Operation: Risiko von Wundheilungsstörungen, Blutungen, Infektionen sowie Bildung von Flüssigkeitsansammlungen im Becken (Lymphozelen) nach Entfernung von Lymphknoten.-
Langfristige Zweittumoren-Nachteil: Das Risiko, viele Jahre nach der Bestrahlung einen zweiten, neuen Krebs im bestrahlten Bereich zu entwickeln, ist messbar erhöht (signifikant erhöhtes Risiko für Zweitmalignome) – das bleibt aber insgesamt selten.
Technische MöglichkeitenVorteil: Moderne OP-Techniken, oft mit einem OP-Roboter. Dadurch kann der Operateur sehr genau und schonend arbeiten und versucht, Nerven und Strukturen für Harnkontinenz und Erektionsfähigkeit möglichst zu erhalten (Funktions­erhalt).Vorteil: Moderne Bestrahlungstechniken (z. B. IMRT/IGRT) können die Strahlen sehr zielgenau auf die Prostata lenken und dadurch das Risiko für Nebenwirkungen an Blase und Darm verringern.