
Hätte Uwe Schöller vor zehn Jahren auf den niedergelassenen Orthopäden seines Heimatortes gehört, würde er heute noch immer unter Arthroseschmerzen in der linken Hüfte leiden. Er holt sich eine Zweitmeinung ein und entscheidet sich für die Implantation einer künstlichen Hüfte. 6.500 Laufkilometer später bereut er seine Entscheidung nicht.
Ein Bericht von Uwe Schöller, dokumentiert von Lukas Hoffmann
Ich war 39 Jahre alt, sportlich aktiv, hatte zwei kleine Kinder zuhause und litt unter höllischen Schmerzen in der linken Hüfte. Ich ging zum niedergelassenen Orthopäden in meinem Wohnort nahe Stuttgart und wusste nicht, was mich mehr schockierte. Seine Diagnose – Hüftarthrose im Endstadium – oder sein Fazit: „Für eine Prothese bist du zu jung. Halte durch bis Mitte 50, sonst sitzt du mit 70 im Rollstuhl.“
Gedanklich hatte ich mich gerade auf einen Marathon vorbereitet. Ich habe mein ganzes Leben lang intensiv Sport getrieben. Über 30 Jahre lang war ich Handballtorwart. Nachdem meine Kinder geboren wurden, wurde mir das Verletzungsrisiko aber zu groß und ich wechselte zum Laufen. Und jetzt riet mir der Arzt, sofort mit dem Sport aufzuhören?
Rückblickend muss ich sagen, dass ich den Schmerz in der Hüfte lange verdrängt habe. Er hat mich als Handballtorwart lange begleitet. Aber für mich galt damals als gesetzt, dass man nach den Spielen Schmerzen in der Hüfte hat, weil man sich beim Abwehren immer wieder auf den harten Hallenboden wirft.
Außerdem war meine Hüfte von Geburt an nicht ganz gerade. Ich war als Baby ein sogenanntes „Spreizwindelkind“, litt an Hüftdysplasie, also an einer Fehlbildung des Hüftgelenks. Als Baby trug ich deswegen einige Wochen lang eine Spreizwindel. Später wurde aber nicht überprüft, ob der Hüftkopf meines Oberschenkelknochens ausreichend stabil in der Hüftpfanne sitzt. Das war nicht so – leider. Während meiner gesamten ersten Lebenshälfte wurde der Gelenkknorpel in der Hüfte durch die Fehlstellung überlastet.
Zwei Jahre weitere Schmerzen bis zum Termin im Krankenhaus
Nach dem Besuch beim Orthopäden sprach ich mit anderen „jungen“ Betroffenen von Hüftarthrose. Ich stellte fest: Man kann auch mit 40 eine künstliche Hüfte implantiert bekommen. Ich hörte Sätze wie: „Wenn ich gewusst hätte, wie gut es mir mit der Hüftprothese geht, hätte ich die OP schon früher gemacht.“
Trotzdem vergingen zwei Jahre, bis ich Gesprächstermine bei zwei Stuttgarter Krankenhäusern vereinbarte. Das zweite Gespräch nahm ich dann gar nicht mehr wahr. Nach dem Termin in der Diakonie Stuttgart bei Prof. Aldinger war mir klar, dass ich mich dort operieren lassen würde. Mein Bauchgefühl sagte mir: „Hier bin ich richtig.“ Und den Ingenieur in mir überzeugten die über 1000 Hüften pro Jahr, die dort implantiert werden. Ich bin diplomierter Ingenieur und arbeite in einer spezialisierten Stuttgarter Fertigungsfirma.
👉 10 TOP Kliniken für die Implantation einer Hüftprothese
Die OP verlief gut. Ich bin noch am OP-Tag aufgestanden und auf die Toilette gegangen. Ich habe nicht einmal Schmerzmittel genommen. Der Gedanke, dass dieser zermürbende, tief sitzende Arthrose-Schmerz endlich weg war, stimmte mich absolut positiv. Den Wundschmerz konnte ich ertragen. Er verging.
Am zweiten Tag dann der erste Schreckmoment: Als ich die Treppe herabstieg und mit dem operierten Bein auftrat, spürte ich einen Stoß im Gelenk. Es fühlte sich so an, als ob das neue Kugelgelenk in die Pfanne hineinspringt. Es war zwar nicht schmerzhaft, aber ein sehr unangenehmes Gefühl. Dass ich während des Stoßes ein metallisches Klacken hörte, trug nicht unbedingt zu meiner Beruhigung bei.
Zum Glück erklärten mir die Ärzte in der Klinik, dass dieses „Klacken“ anfangs normal ist. Die Muskeln und Bänder des operierten Beins sind noch geschwächt oder gedehnt, Dadurch kann die Hüftprothese minimal aus der Pfanne gleiten, wenn das Bein – wie beim Treppenabstieg – für kurze Zeit frei in der Luft schwebt. Beim Auftreten schnappt es dann wieder hinein. Nach einigen Wochen stabilisierte sich mein Gelenk tatsächlich und sowohl das Klickgeräusch als auch das Hineinschnappen hörten auf.
Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus, ging es für drei Wochen in die stationäre Reha. In der fünften Woche nach der Operation war ich wieder in der Firma.
Vorsichtiger Start in den Sport
Auch wenn ich schnell wieder mit der Arbeit begann, war mein Wiedereinstieg in den Sport vorsichtig. Die Prothese war bei der Implantation nicht zementiert worden. Ich wollte nicht riskieren, dass eine zu frühe Belastung das Einwachsen in den Knochen gefährdet. Direkt nach der OP habe ich mich zwar schon viel bewegt, war aber immer auf Krücken unterwegs. Danach habe ich mir Walking-Stöcke zu Hilfe genommen, zum Beispiel wenn es im Wald bergauf oder bergab ging.
Erst nach drei Jahren habe ich mit dem Joggen begonnen und die Intensität langsam gesteigert. Den Warnungen meiner Mutter zum Trotz („Intensiver Laufsport ist Gift für die Prothese, weil er den Abrieb beschleunigt“), begann ich auch wieder Marathon zu laufen.
Wie fest die Prothese acht Jahre nach der Implantation im Knochen saß, wusste ich nicht. Auch der Grad des Abriebs war mir unbekannt. Deswegen war der Termin vor einiger Zeit im Diakonie-Klinikum Stuttgart so spannend. Im Rahmen einer klinischen Studie wurden der Sitz und der Verschleiß meiner künstlichen Hüfte überprüft. Dazu wurde ein aktuelles Röntgenbild mit einem direkt nach der Implantation angefertigten Röntgenbild verglichen. Das Ergebnis: Alles tiptop, 0,0 Prozent Verschleiß. Und das, obwohl ich in den letzten Jahren 6500 Laufkilometer zurückgelegt habe.
Mutter entscheidet sich auch für eine künstliche Hüfte
Wegen der guten Erfahrungen mit meiner künstlichen Hüfte habe ich meiner Mutter frühzeitig zu einer Operation geraten. Warum sollte sie sich mit Arthrose-Schmerzen quälen, wenn es anders geht? Auch sie trägt seit drei Jahren ein künstliches Hüftgelenk und ist zufrieden damit. Wenn ich heute mit anderen spreche, sage ich immer: Wartet nicht zu lange. Eine Hüftprothese ist kein Weltuntergang. Im Gegenteil. Sie kann ein Neuanfang sein.
Manchmal meldet sich bei mir die andere Hüfte. Auch sie ist arthrotisch. Wenn sie zu sehr schmerzt, werde ich sie ebenfalls erneuern lassen. Vor der Implantation mache ich dann zwei Dinge anders:
- Werde ich vor der OP nicht aufhören, mich körperlich fit zu halten. Denn ein trainierter Körper verarbeitet den Eingriff deutlich besser und gezielte Physiotherapie kann hier viel leisten.
- Werde ich vorher meine Beinlänge messen. Nach der ersten OP hatte ich das Gefühl, dass das operierte Bein länger ist. Wenn ich die Beinlänge vor der OP kenne, weiß ich, ob danach eine Abweichung besteht und ob z.B. das Tragen von Schuheinlagen sinnvoll ist. Ist die Beinlänge nicht verändert, muss ich mir keine Sorgen über mögliche Rückenschäden machen.