Künstliche Hüfte, Erfahrungsbericht
Kurze Zeit nach den Operationen ist Heidi Rauch wieder auf dem Golfplatz.

Kann man mit zwei künstlichen Hüften noch Golf spielen oder Ski fahren? „Klar“, sagt Heidi Rauch. Sie spricht aus Erfahrung.

Ein Bericht von Heidi Rauch

Wenn ich heute, Ende 2020, erzähle, dass ich zwei künstliche Hüften habe, dann will das immer niemand glauben. Mein Gangbild ist besser denn je, ich gehe schwungvoll, gerade und aufrecht. Manchmal vielleicht etwas zu schnell, weil ich immer alles rasch erledigen will, möglichst viel auf einmal. Ich bin absolut schmerzfrei und kann meine geliebten Sportarten alle problemlos ausüben. Wenn doch mal etwas zwickt, dann gehe ich zu Manualtherapeutin oder betreibe Faszientraining. Meine Beschwerden kommen meist von muskulären Verspannungen rund um die unteren Wirbel.

2 Hüft-Ops im Jahr 2011

Das war nicht immer so. Früher hatte ich beim Gehen große Schmerzen und natürlich habe auch ich versucht die Implantation einer neuen Hüfte – diese nicht gerade kleine Operation, – so lange wie möglich hinauszuzögern. Was habe ich nicht alles probiert, um meine immer schlimmer werdenden Schmerzen loszuwerden – von Alexandertherapie über Manuelle Therapie, Rolfing und Shiatsu bis zu Yoga. Zum Schluss konnte ich als passionierte Hobby-Golferin nicht einmal mehr 9 Löcher gehen, ohne mich hinterher zu fühlen wie nach einem Marathonlauf! Für Nicht-Golfer: 9 Löcher auf einem 18-Loch-Golfplatz bedeuten ungefähr eine Strecke von drei Kilometern, die man mit meinem Handicap von 16,5 zügig allein in anderthalb Stunden bewältigen kann; in Gesellschaft mit einem bis drei weiteren Spielern dauert es entsprechend länger.

Diagnose nach Osteoporose-Untersuchung

Alle genannten Therapien finde ich durchaus nützlich, aber nicht, wenn die Diagnose „fortgeschrittene Coxarthrose beidseitig“ heißt, also Arthrose in beiden Hüftgelenken. Diese endgültige Diagnose habe ich allerdings erst nach einer Osteoporose-Untersuchung bekommen. Erst auf dem Röntgenbild der Hüfte (und nicht des Beckens oder der Wir- belsäule) und der anschließenden Computertomographie haben Röntgenologe und Arzt erkannt, dass beide Hüftköpfe schon mehr als angegriffen waren. Also keine Iliosakralgelenk-Blockaden (das ist das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk, auf das gern bei diffusen Beschwerden des Geh-Apparats getippt wird), kein Ischiasproblem. Nein, eine in der Kindheit nicht erkannte Hüftdysplasie, also eine Fehlstellung des Hüftgelenks, hat den Abrieb des Knorpels zwischen Hüftpfanne und Hüftkopf verursacht. Man hätte mich als Baby wohl nur ein paar Wochen lang breit wickeln müssen. Aber 1957 kannte man die routinemäßigen Ultraschall-Untersuchungen noch nicht. Mir als Preußin, die ich schon seit meinem Studium in München bzw. nun in Erding bei München lebe, sagte eine Bayerin doch angesichts meiner Hüften: „Da host dei Spreizhoserl net ang`habt, geh?“

Meine arme Mutter ist angesichts meiner Beschwerden ganz unglücklich gewesen und hat sich gemartert, ob sie damals wohl etwas versäumt hätte. Aber sobald die Pobacken bei einem auf dem Bauch liegenden Säugling gleichmäßige Falten aufgewiesen haben, ist man damals davon ausgegangen, dass alles in Ordnung sei.

Durch das jahrelange Gehen quasi „auf den Felgen“ – meine Beschwer- den begleiteten mich ja schon ein paar Jahre – hatten sich so genannte „Geröllzysten“, kleine Stalaktiten quasi, gebildet, die noch mehr Reibung verursachten. Kein Wunder, dass da selbst Voltaren oder Ibuprofen nichts mehr bewirkt haben – außer Magen-Darm-Probleme.

Interessanterweise war mein behandelnder Orthopäde immer noch ganz angetan von meiner Beweglichkeit. Orthopäden führen dazu ja am liegenden Patienten bestimmte Bewegungen mit den Beinen aus, testen das Abspreizen und Beugen. Diese Beweglichkeit habe ich mit Sicherheit den Fünf Tibetern* zu verdanken, die ich seit Anfang der 90er Jahre täglich jeden Morgen mache. Diese Morgengymnastik habe ich nach zwei Qi Gong-Wochenenden auf der Fraueninsel im Chiemsee um einige Qi Gong-Übungen ergänzt und um Übungen, die mir meine Physiotherapeutin gezeigt hat. Ziel war immer, das Gelenk so lange wie möglich geschmeidig zu halten.


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Was mir aber Schmerzen verursachte, war das Gehen. Meist bin ich schon nach wenigen Metern eingeknickt mit diesem gemeinen Messerstich-Schmerz in der Leiste, den Hüftpatienten nur zu gut kennen. Meine gute Oberschenkel-Muskulatur hat immer versucht auszugleichen, was das zunehmend unbeweglich werdende Gelenk nicht mehr geschafft hat. Glücklicherweise sind mir Schmerzen im Sitzen und nachts im Liegen erspart geblieben. Dieses „letzte Stadium“ habe ich nicht erreicht. Tröstlich fand ich den Satz, den wohl viele Orthopäden ihren Patienten sagen: „Wir operieren nicht das Röntgenbild, sondern Sie entscheiden über den Zeitpunkt. Sobald Ihre Lebensqualität zu sehr eingeschränkt ist, werden Sie es selber wissen.“

Ambulante Reha vor der OP

Netterweise hat meine Physiotherapeutin in Erding auch noch an meine Beweglichkeit und Sportlichkeit geglaubt und mir geraten, bei der (gesetzlichen) Krankenkasse eine Ambulante Reha zu beantragen. Mein Orthopäde hat mich in diesem Wunsch unterstützt – und siehe da, Anfang 2011 fand ich mich im Ambulanten Reha- Zentrum in Erding inmitten von Wirbelsäulen, Hüften und Knien wieder, will sagen inmitten von Menschen mit diesen Problemen. Später in der Reha fragt und antwortet man übrigens tatsächlich nur noch in Kürzeln: „Rücken? Schulter? Nein, Sprunggelenk“.

Heidi Rauch zwei Wochen nach der ersten Hüft-OP in einer Rehaklinik.

Drei Wochen trainierte ich also mit wenig Gewichten an Geräten (es ging um Stoffwechsel-Training, nicht um Muskelaufbau), machte Gruppenübungen auf Wackel-Plattformen und auf Peci-Bällen (zur besseren Koordination), wurde in ein nahe gelegenes Hotel-Schwimmbad ins so genannte Bewegungsbad gefahren, um dort Übungen im warmen Wasser zu machen, lernte Entspannungsübungen nach Jacobson – und durfte sogar im Rahmen eines Ernährungskurses meine nicht vorhandenen Kochkünste verbessern. Auch Psycho-Beratung wurde angeboten – und zwischendurch gab es Termine mit den Orthopäden vor Ort. Auch da immer wieder der Tenor: Ach, typische Einschränkungen, aber es geht doch noch ganz gut, oder? Klar, solange ich nur drei Schritte von Gerät zu Gerät gehen musste, war mir nichts anzumerken. Aber schon den Gang die Treppe runter zum Auto habe ich mir gut überlegt bzw. habe mich am Geländer festgehalten.

Insgesamt kann ich diese Art der Vorbereitung auf eine OP und die anschließende Reha nur empfehlen. Man weiß dann schon, was einen erwartet. Auch, weil man viele Leidensgenossen trifft, die wertvolle oder auch verwirrende Tipps geben.

Meine Hüftdysplasie-Freundin macht es vor

Um einen Operateur habe ich mich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gekümmert. Ich habe ja immer noch gehofft… Mein Schlüssel-Erlebnis war das Schwimmen in einem warmen Thermalbad: Die Geh- und Paddelübungen im Bewegungsbad waren ja noch problemlos möglich, aber das Brustschwimmen ging gar nicht mehr! Die Spreizbewegungen taten ungeheuer weh. Das war mein „Point of no return“.

Ich erzählte das meiner Freundin Susanne, die eine angeborene Hüftdysplasie hat – und siehe da: Sie hatte einen erfahrenen Operateur gefunden, der bereit war, im Rahmen der Gelenk-OP eine komplizierte Verlängerung ihres Trochanter Major, des großen Oberschenkelknochens, vorzunehmen, damit sie nicht mehr hinken muss. Susanne also ging bzw. humpelte voran – und machte sehr gute Erfahrungen in einem Münchner Klinikum (hier finden Sie herausragende Kliniken für Hüftchirurgie in Deutschland).

Ich besuchte sie in der Reha am Chiemsee, freute mich über ihre positiven Erfahrungen und machte ebenfalls einen Termin für eine Operation aus. Der Orthopäde war kurz und schmerzlos: Ein Blick auf meine Röntgenbilder – und er fragte mich, wann ich denn kommen wolle. Welche Hüfte zuerst war ihm auch egal. Beide seien ja gleich schlimm. Ich schluckte und nannte meinen Wunschtermin Ende Mai, der auch gleich bestätigt wurde. Nun gab es kein Zurück mehr. Gut so.

Hilfsmittel schon vorher besorgt

Dank Susannes Erfahrung deckte ich mich auch schon vorher mit den wichtigsten Utensilien ein, die zum Großteil auf Rezept von der Krankenkasse zu haben sind: ergonomische Unterarmstützen (die haben eine zusätzliche Handflächenstütze, sehr angenehm), eine Toilettensitzerhöhung, ein Dusch-Hocker, ein Keilkissen (das übernimmt die Kasse nicht oder nur selten). Zusätzlich besorgte ich mir einen langen Schuhlöffel und Schuhe zum Reinschlüpfen: einmal feste Latschen für die Klinik, zum anderen Turnschuhe mit Klettverschluss für das Training an den Geräten.


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(Ende der Anzeige)


Später stellte ich fest, dass auch Klettverschlüsse mit der Greifzange (gibt`s in der
Reha zum Ausleihen) von oben schwer zu schließen sind. Man soll ja als frisch Operierter die 90-Grad-Beugung des Gelenks vermeiden. Also schlüpfte ich meist in meine schon etwas ausgetretenen Straßenslipper. Und da meine Reha in den warmen Monat Juni fiel, konnte ich mir auch das Anziehen von Strümpfen mit Hilfe des Strumpfanziehers (gibt`s auch in der Reha zum Ausleihen) tagsüber zumindest sparen.

Daher mein Tipp an alle Operationswilligen: Wählt das Frühjahr. In der warmen Jahreszeit kann man einfach viel besser (und gefahrloser) spazieren gehen (wichtig für das neue Gelenk) und muss nicht so viele Gedanken ans Anziehen verschwenden. Meine zweite OP fiel dann notgedrungen in den Oktober und die Reha damit in den November. Aber da hatte ich fast unverschämtes Glück: Am Tegernsee herrschte im Herbst 2011 ein unerklärliches Sommerwetter, während München unter einer Nebelglocke versank und rund 15 Grad kälter war!

Beide OP`s aktiv gut überstanden

Ich bin meine beiden OP-Termine eher pragmatisch angegangen: Es muss sein, also füge ich mich, klage nicht und gebe mich vertrauensvoll in die Hände der Ärzte. Ich habe mich vorher nicht großartig mit der Operation auseinandergesetzt. Weder habe ich das mir eingesetzte Material bei einem Kinesiologen testen lassen (da hatte ich in der Reha eine Mitpatientin, die das getan hat), noch habe ich mir auf youtube das Video der doch sehr blutigen OP angeschaut.

Ein bisschen war ich schon irritiert, als mir einige mitfühlende Zeitgenossen kurz vorher sagten, dass ich ja da doch einen sehr großen Eingriff vor mir hätte. Klar, habe ich geantwortet, weiß ich. Aber mittlerweile ist das ja eine Routine-OP: über 200.000 Hüft-OPs werden in Deutschland pro Jahr durchgeführt! Wahrscheinlich war meine pragmatische Einstellung gar nicht schlecht. Konnte man sie bei der ersten OP noch fast naiv nennen, war sie bei der zweiten OP schließlich von Erfahrung geprägt, aber nicht minder positiv.

Im Krankenhaus entwickelte ich Eigenheiten, für die ich sicher nicht nur Bewunderung, sondern eher Verwunderung erntete. Zum einen habe ich am Tag vor der OP ab mittags schon nichts mehr gegessen. Ich wollte einfach nicht einsehen, warum ich jetzt noch eine feste Mahlzeit und später eine mir sowieso nicht schmeckende Suppe essen sollte, nur damit ich am frühen Abend einen Einlauf bekomme und alles wieder rausbringe. Klar, nach
der OP am folgenden Morgen gibt es erst einmal bis zum Abend nichts zu essen. Macht doch nichts. Ist gut für die Linie. Man liegt ja doch nur herum.

Zum anderen habe ich mich als Vegetarierin angemeldet, obwohl ich keine bin. Ich wollte einfach keine zusätzlichen Antibiotika in Form von Fleisch aus Massentierhaltung zu mir nehmen. Leider machte mir der Ehec-Virus bei der ersten OP einen Strich durch die Rechnung: Da Salat- und Tomaten-Verbot herrschte bis sich Sprossen als die Übeltäter he- rausstellten, bekam ich abends Käseplatten zum Abwinken und tagsüber eben Fisch mit Reis ohne Gemüse oder Süßspeisen wie Dampfnudeln oder Apfelstrudel mit Vanillesoße. Bei der zweiten OP freute ich mich dann über Salate und Gemüse-Lasagne.


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Schließlich habe ich schon im Krankenhaus wieder gearbeitet.
Am OP-Tag selbst ist man natürlich noch zu schwach. Am Tag danach darf bzw. muss man ja wg. des Kreislaufs schon aufstehen und danach, wenn der Kreislauf mitspielt, die ersten Schritte mit dem „Maxl“, einem Gestell gehen. Später dann mit Krücken. Da die Physiotherapeutin auch schon am zweiten Tag nach der OP erste Bewegungsübungen im Bett verordnete, sah ich keinen Grund, mein Gehirn nicht ebenfalls nutzen zu wollen. Nachdem ich sämtlichen Verwandten und Freunden am Telefon ein „ärztliches Bulletin“ abgeliefert hatte, wollte ich auch nicht dauernd gedanklich mit meinem Gesundheitszustand beschäftigt sein. Also verband ich mich via PC und Internet (mit mobilem Zugang, da die Klinik kein W-Lan anbietet) wieder

mit der Arbeitswelt – zunächst am Bett-Tisch, nach dem Ziehen des Katheters und mit zunehmender Beweglichkeit (endlich wieder allein aufs Klo gehen und duschen können!) dann am Tisch im Zweibettzimmer.

Meine Bett-Nachbarin schüttelte zunächst den Kopf, später war sie fast neidisch, als sie mitbekam, wie schnell die Tage damit vergingen. Natürlich blieb ich nicht stundenlang wie angewurzelt auf meinem Keilkissen sitzen, sondern bin immer wieder über den Gang gegangen, habe am Fenstersims Dehnübungen gemacht, bin mit Freunden (verbotener- weise) im Klinik-Park spazieren gegangen und habe mich mit meinen Besuchern unten in die Cafeteria gesetzt. Zwischendurch habe ich immer wieder Liege-, Lese- und Schlafpausen eingelegt – und mich schließlich unbändig gefreut, als ich endlich nach zehn Tagen in die Reha wechseln durfte.

Erste Reha in Bad Heilbrunn

Mit meiner ersten künstlichen Hüfte war ich zur Reha in Bad Heilbrunn. Ich hatte Glück, dass ich ein sehr schön renoviertes Einzelzimmer bekam. Meine Mitpatientin Christine, die ein paar Tage später kam, landete in einer eher deprimierenden „Abstellkammer“, die sie nach Protest gegen ein etwas weniger deprimierendes Zimmer tauschen durfte. Der Übergang vom Krankenhaus zum Reha-Ort an einem Wochenende ist allerdings problematisch. Da ist es gut, wenn man gleich viel Besuch bekommt, denn Samstag und Sonntag tut sich noch nicht viel. Zeit also, alles zu erkunden – in diesem Fall vor allem den sehr schönen Kräuter-Erlebnispark vor der Haustür. Wirklich ein Gewinn!

Dann freute ich mich über das Essen – endlich doch wieder etwas Wurst, Schinken und Fleisch. Und das an einem Tisch mit netten Mitpatienten, jenseits von Krankenhaus-Gerüchen. Ich hatte auch das große Glück, einen ehemaligen Arbeitskollegen, Hans, zu treffen, der wiederum einen Mitpatienten, Hubert, an unseren Tisch holte. Wir Vier, Christine, Hubert, Hans und ich, verkürzten uns die Abende ungemein beim bayerischen Kartenspiel Wattn, das sie mir als Preußin beibrachten. Was haben wir gelacht und Spaß gehabt!

Sechs Wochen Teilbelastung von 20 kg

Die Anwendungen waren in Bad Heilbrunn insgesamt gut. Allerdings kann ich allen nur empfehlen, sich selbst um genügend Termine zu kümmern. In meinem Fall ging es derart schleppend los – sowohl bei der Physiotherapie als auch bei der Medizinischen Trainingstherapie -, dass ich vehement protestieren gegangen bin. Netterweise hat sich Chefarzt um meinen OP-Bericht bemüht, den ich erstaunlicherweise selbst nicht zu Gesicht bekommen hatte (bei der zweiten OP habe ich ihn gleich angefordert zur Entlassung).

Darin stand die Begründung, warum ich sechs Wochen lang nur eine Teilbelastung von 20 kg hatte – und entsprechend „sanft“ therapiert wurde. Der Chirurg hatte bei der Entfernung meiner Geröllzysten den Hüftknochen mit Spongiosa, Knochenmehl, aufgefüllt, um die Dicke der Hüftpfannen- wand zu stärken. Diese Spongiosa braucht einfach Zeit zum Einwachsen und Verfestigen. Aber generell vertrat mein Chirurg die konservative Einstellung, seinen Patienten nicht sofort Vollbelastung zu empfehlen.

Das war für mich zunächst schwer einzusehen, schließlich gingen viele Hüft-Patienten um mich herum schon nach wenigen Tagen in der Reha ohne Krücken. Aber ich fügte mich – und hätte aufgrund meiner geschwächten Muskulatur auch gar nicht anders gekonnt. Dankenswerterweise setzte sich aber meine Physiotherapeutin dafür ein, dass ich nicht nur täglich eine halbe Stunde, sondern eine ganze Stunde an den Geräten trainieren durfte.

Zweite Reha in Bad Wiessee

Dieses Problem hatte ich in der zweiten Reha in Bad Wiessee nicht mehr (hier finden Sie herausragende Rehakliniken nach einem orthopädischen Eingriff). In der Rehaklinik in Bad Wiessee durften die Patienten frei wählen, wie oft und wie lange sie die Medizinische Trainingstherapie nutzen wollen. Diese Art der Selbstbestimmung kam mir natürlich viel mehr entgegen.

Hüft-Op, Erfahrungsbericht
Blick auf den Tegernsee

Generell geht es in der Hubertus-Klinik wesentlich sportlicher zu. Während in Bad Heilbrunn doch sehr viele Schlaganfall-Patienten und neurologische Fälle im Rollstuhl anzutreffen sind, ist die Klientel am Tegernsee in Relation gesünder. Herzpatienten und Orthopädie-Patienten halten sich hier die Waage. Alle freuen sich an der tollen Lage direkt am See und treffen sich nebenan im „Aquadome“, dem See-Bistro mit den frischen Saiblingen und dem kleinen Aquarium.

Grundsätzlich kann man an beiden Orten viele schöne Ausflüge unternehmen, wenn nette Freunde und Bekannte mit dem Auto kommen. Die Gegend um Bad Tölz, dem Nachbarbad von Bad Heilbrunn, ist ebenso schönstes Oberbayern wie die Tegernseer Berge. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine schöne Umgebung deutlich zur Heilung beiträgt. Schließlich will die Psyche nach so einem Eingriff auch wieder aufgerichtet werden.

Nach drei Monaten schmerzfrei Golfen und Skifahren

Erst mit meinen beiden Endoprothesen ist es wirklich aufwärts gegangen mit meiner Beweglichkeit und dem Sport. Solange ich nur ein künstliches Hüftgelenk hatte, suchte der Körper immer noch nach der nicht möglichen Balance. Nach der ersten Reha bin ich im Sommer viel geschwommen und habe Spaziergänge am Strand und in der flachen Adria gemacht.

Die ersten Golfschwünge waren ernüchternd. Die linke Seite tat einfach zu weh. Ich ging in Schonhaltung und war zunehmend frustriert. Also ließ ich es sein und entschloss mich zur zweiten OP nach nur fünf Monaten. Die Zeit bis dahin nutzte ich zum stetigen Muskelaufbau mit Hilfe eines Personal Trainers und meiner Physiotherapeutin. Schließlich musste das operierte Bein kräftig genug sein, um die einseitige Voll- bis Doppelbelastung zu tragen. Bevorzugte Übung: Einbeinstand.

Nach der zweiten OP und Reha verzichtete ich erneut auf die so genannte Irena, das ambulante Reha-Programm, das Kassenpatienten zusteht. Mein Operateur meinte auch lapidar: „Das schaffen Sie schon alleine.“ Recht hatte er. Ich machte täglich meine Übungen zu Hause inklusive meiner geliebten Fünf Tibeter, trainierte auf dem Stil Fit-Ergometer im Wohnzimmer und auf meinem Bellicon-Mini-Trampolin.

Mit dem Zutrauen, das ich nach der ersten OP gewonnen hatte, traute ich mir nach der zweiten OP natürlich viel mehr zu. Ich denke, dass ich genau gespürt habe, was ich wann meinen neuen Gelenken zumuten konnte. So habe ich also nach drei Monaten schon meine ersten neun Löcher Golf gespielt und habe nach dreieinhalb Monaten meine ersten Schwünge im Schnee gemacht. Zweieinhalb Stunden sind wir im relativ anstrengenden Neuschnee Ski gefahren.

Nach diesen „Feuerproben“ im Januar 2012 habe ich eine kleine Pause eingelegt, bevor ich Ende Februar, Anfang März mehrere Tage Ski gefahren bin, auch eine schwarze Piste (!), und danach meine ersten 18 Löcher Golf gespielt habe.

Hausbau und Umzug

Heute, acht Jahre später, steht alles im Zeichen eines großen Umzugs. Mein Mann und ich ziehen in ein ökologisches Gemeinschaftshaus in München Alt-Riem. Gewählt haben wir eine barrierefreie 100qm-Erdgeschosswohnung mit Terrasse, die auf unseren Gemeinschaftsgarten gen Süden schaut. Grund: Wir werden nicht jünger! Unter den 35 Parteien, die wir alle im Rahmen der dreijährigen Planungs- und Bauphase von Anfang 2018 an kennengelernt haben, sind viele junge Familien mit Kindern. Ob sie sich einmal um uns kümmern werden, wenn wir doch gebrechlich werden sollten? Wir hoffen es.

Den Umzug mit allem Ausmisten und Packen haben wir altersgerecht langfristig in mehreren Etappen angelegt. Mit zwei künstlichen Hüften und Ü 60 muss man Umzugskisten nicht mehr allein schleppen. Auch muss ich nicht mehr treppab-treppauf Olivenöl-Flaschen tragen. Unser Olivenöl-Keller liegt nun in der Tiefgarage direkt neben dem Fahrstuhl. So hoffe ich, dass meine beiden TEPs möglichst lange halten, ich fit bleibe und noch lange bewegungsfreudig!


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Dieser Erfahrungsbericht ist ein leicht abgeänderter Auszug aus dem Buch „Mut zur neuen Hüfte“. Text: Heidi Rauch, Bilder: ©privat