Erfahrungsbericht Hüftprothese
Nach einem Oberschenkelbruch wurde Wolfgang Jungmann eine künstliche Hüftprothese eingesetzt. ©Hermann/CC0

In Deutschland werden jährlich über 200.000 Hüftprothesen eingesetzt. In den meisten Fällen leiden die Betroffenen an starker Arthrose, aber bei dem pensionierten Germanistikprofessor Wolfgang Jungmann wurde die Hüftprothese nach einem Oberschenkelhalsbruch eingesetzt.  

Ein Bericht von Wolfgang Jungmann* 

Ich gehe gerne ein bis zwei Stunden täglich spazieren. Diese Gewohnheit setzte ich auch seit meinem Schlaganfall im Jahr 2007 fort. Der Schlaganfall führte aber dazu, dass ich heute noch etwas Schwierigkeiten mit dem Gleichgewichtssinn und der Koordination habe.

So war ich auch eines Herbsttages im Jahr 2021 in der Heidelberger Innenstadt zum Einkaufen unterwegs und rutschte auf einer Stufe aus. Da sagte ich zu mir: Kein Problem, ich stehe wieder auf! Tatsächlich tat es aber weh, sehr weh. Ich konnte überhaupt nicht stehen. Eine vorbeilaufende Dame, die den Unfall sah, brachte mir aus der nahe gelegenen Wohnung die nicht mehr benötigten Krücken ihres Mannes mit. Sie riet mir noch, die Schmerzen unbedingt ärztlich untersuchen zu lassen. Nach Hause musste ich dann von einem Taxi gefahren werden. Dort habe ich Belastung gemieden und gehofft, dass es sich bald bessern würde. An einen Bruch oder ähnliches habe ich nicht geglaubt, das hätte dann doch wesentlich mehr weh tun müssen.

Zehn Tage ohne Besserung

Mein örtlicher Orthopäde, bei dem ich mich vorstellen wollte, hatte wegen der Feiertage keine offenen Termine. Weil damals auch der Umgang mit den Corona-Infektionen so unübersichtlich war, wollte ich ungern ins Krankenhaus. Ich erinnerte mich an einen früheren Sturz im Winter. Damals hatte ich ebenfalls Schmerzen und Schwierigkeiten beim Gehen, die aber einige Tage später wieder von allein weg gingen. Deshalb vermutete ich, dass es sich um etwas Ähnliches handeln würde.


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Als zehn Tage vergangen waren und die Schmerzen kaum nachließen, beschloss ich, mich in der orthopädischen Ambulanz eines Krankenhauses vorzustellen. In das Krankenhaus musste ich von einem Rettungswagen gefahren werden, weil ich mich kaum noch bewegen konnte. Im Krankenhaus ordneten die Ärzte eine Röntgenuntersuchung der Hüfte und des Oberschenkels an. Die Diagnose “Schenkelhalsfraktur” stand schnell und unzweifelhaft fest.

Bei der Schenkelhalsfraktur bzw. dem Oberschenkelhalsbruch bricht der Teil des Oberschenkels, der das Bein im Hüftgelenk verankert. Die Ärzte informierten mich, dass man normalerweise einen solchen Bruch bereits wenige Stunden nach dem Unfall behandeln muss, denn der Bruch schränkt die Blutversorgung im Knochen ein. Nach zehn Tagen Schonung ohne Behandlung war das Knochenstück bereits abgestorben. Da hätte auch die Verschraubung der Knochenelemente nicht mehr geholfen.

Damit die Nekrose, das Absterben des Knochens, nicht noch das gesamte Gelenk befiel, wollten die Ärzte mir noch am selben Tag ein künstliches Hüftgelenk einsetzen. Auch wenn mich alle diese Informationen so plötzlich und unerwartet erreichten, war ich froh, dass die Ärzte mir die Dringlichkeit der Operation glaubhaft erläuterten und sie zügig in Angriff nahmen.

Die Operation war mir anfangs ein Graus

Bis zuletzt hatte ich gehofft, dass man mir in der Ambulanz zu weiterer Bettruhe raten würde. An eine Schenkelhalsfraktur konnte ich fast nicht glauben. Auch wenn ich nicht gehen konnte und Schmerzen hatte, hatte ich mir darunter einfach etwas noch Drastischeres vorgestellt. Mir grauste es vor einer operativen Behandlung. Aber die Operation war meine einzige Möglichkeit. Ich sagte dann zu mir selbst: Ich habe eine Leukämie überstanden, obwohl mir nur noch eine Überlebenszeit von sieben Jahren prognostiziert worden war. Ich habe eine Hirnblutung ohne sprachliche Einschränkungen überlebt und danach weiter Deutsch unterrichtet. Mit dieser Operation werde ich mich auch zügig abfinden.


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Es stand mir zur Wahl, eine lokale Anästhesie oder eine Vollnarkose zu bekommen, auf den Rat des Arztes hin entschied ich mich zu letzterer. Die Operation lief gut. Als ich danach zu mir kam, fühlte ich nur ein Unwohlsein, aber fast keine Schmerzen. Noch im Krankenhaus bekam ich Lymphdrainagen und wurde zeitnah mit Krücken und Krankengymnastik mobilisiert. Weil meine Nierenwerte in den ersten Tagen außerhalb der Referenzwerte lagen, trank ich auf ärztliche Anweisung hin viel Wasser.

Meine Frau hat mich zur Reha begleitet

Die anschließende Behandlung in der Rehaeinrichtung hat mich überzeugt. Die Übungen, wie beispielsweise das Erlernen von Treppensteigen, haben mir sehr geholfen.

Meine Frau hat mich während meines gesamten Aufenthalts begleitet. Durch den Schlaganfall habe ich Schwierigkeiten, mich an neuen Orten zu orientieren. Zudem leide ich an einer sogenannten Prosopagnosie, auch Gesichtsblindheit genannt. Das bedeutet, dass ich Gesichter nicht wieder erkenne, auch wenn ich die Personen zuvor mit Namen kennengelernt habe. Diese beiden Folgeerkrankungen machen es mir schwer, mich an neuen Orten einzugewöhnen. Deshalb war es aus medizinischer Sicht notwendig, dass meine Frau mitkam.

Ihre Aufenthaltskosten mussten wir privat zahlen, weil der zuständige Sozialberater in der Orthopädie es versäumt hatte, uns über die Möglichkeit der Kostenübernahme durch die Krankenkasse bei der Reha-Einweisung zu informieren. Wir konnten auch keine Erstattung rückwirkend beantragen. Es wäre notwendig gewesen, die Begleitung schon bei der Auswahl der Reha-Einrichtung zu berücksichtigen und von vorneherein bei der Krankenkasse zu beantragen. Dies haben wir erst in der Rehaklinik erfahren, zu diesem Zeitpunkt war es aber bereits zu spät. Glücklicherweise hatte ich eine Unfallschutzversicherung, mit deren Zahlung wir einen Teil der Kosten begleichen konnten. Nach zweieinhalb Wochen Reha habe ich zu Hause in Heidelberg weiter eine Krankengymnastik-Behandlung besucht. Da konnte ich aber auch bereits eine halbe Stunde mit Krücken gehen.

Mein neues altes Hüftgelenk

Einen Unterschied zwischen dem künstlichen Gelenk und meinem “alten” Gelenk nehme ich heute nicht wahr. Worauf man wirklich achten sollte bei einer neu eingesetzten Hüftprothese, in den ersten drei Monaten, bis sich Muskulatur und Bänder an der Hüfte um das neue Gelenk herum regeneriert und stabilisiert haben, ist, das Knie nicht unter 90 Grad gegenüber zum Hüftgelenk anzuheben. Also bloß nicht versuchen, mit dem Knie die Nase zu berühren! So wird eine Luxation, also ein Herausspringen des Gelenkes, vermieden. Tatsächlich habe ich bisher keine Schwierigkeiten mit dem Gelenk gehabt. Ich bin sogar begeistert, dass in dieser Situation die gegenwärtige Operationstechnik und die angebotenen Hilfsmittel so effektiv waren.


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Etwas Sorgen mache ich mir darüber, wie sich die Prothese im Laufe der Zeit entwickeln wird. Ich sehe es etwas kritisch, dass nun Titanelemente in meinem Körper eingebaut sind und der Körper diese bekanntlich nicht in seine natürlichen Reparaturmechanismen einbeziehen kann. Das Titan lebt nicht, nutzt sich irgendwann ab und kann auch nicht wie die Teile eines körpereigenen Gelenks regeneriert werden. Probleme sind also vorprogrammiert. Ich war beim Einsatz der Prothese 63 Jahre alt. Man versprach mir, dass die Prothese 25 Jahre halten würde. Bei meiner Krankengeschichte kann eine Operation zum Auswechseln der Prothese mit 88 Jahren durchaus riskant sein. Hinzu kommt, dass die Orthopäden festgestellt haben, dass bei mir eine Osteoporose vorliegt.

Aber die Prothese hält ja noch 25 Jahre. Wer weiß, welche Fortschritte die Medizin bis dahin gemacht hat. Die Ärzte sind zumindest überzeugt und positiv gestimmt. In der Zwischenzeit bin ich in meinen Alltag zurückgekehrt. Mittlerweile kann ich problemlos und ohne Krücken in der Stadt laufen. Ich wage mich schon an schwierigere und steinige Wanderwege heran. Meine Wanderstöcke reichen als Stützen vollkommen aus. Man muss sich einfach darauf konzentrieren, was alles klappt und funktioniert. Daran sollte man Spaß haben. Ich stehe jetzt morgens auf und sehe, wie gut doch alles läuft.

*Name geändert


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