©kevin120415

Jährlich leiden über 100.00 Personen in Deutschland an Schäden an den Bandscheiben. Doch was sind eigentlich Bandscheiben und wieso verursachen sie Beschwerden wie starke Schmerzen, Taubheit und Kribbelgefühl? Im folgenden Beitrag wird auf die genauen Ursachen, die Diagnostik und Therapiemöglichkeiten eines Bandscheibenvorfalls eingegangen.

Was führt zu einem Bandscheibenvorfall?

Die menschliche Wirbelsäule besteht aus über 30 einzelnen Knochenelementen, die als Wirbel bezeichnet werden. An die Wirbelsäule sind über den Schultergürtel die Arme und über das Becken die Beine angeschlossen. Dadurch ist die Wirbelsäule das zentrale Tragelement des menschlichen Körpers.

Die Wirbel umschließen den sogenannten Wirbelkanal, in dem das Rückenmark liegt. Vom Rückenmark ziehen die Nerven zu den Armen und Beinen, die es uns ermöglichen, sie zu bewegen.

Die Wirbelkörper liegen nicht direkt aufeinander. Zwischen zwei Wirbelkörpern liegt eine Zwischenwirbelscheibe oder auch Bandscheibe genannt. Die Bandscheibe hat einen besonderen Aufbau: Sie besteht aus einem straffen Faserring (Anulus fibrosus), der den innen gelegenen Bandscheibenkern (Nucleus pulposus) umschließt. Der Bandscheibenkern hat eine geleeartige, weiche Konsistenz und fungiert wie eine Art Kissen zwischen den Wirbelscheiben. Er federt Druck und Stöße ab und ermöglicht zudem eine geringfügige Bewegung der Wirbelkörper untereinander. So kann sich der Mensch zur Seite drehen oder bücken.

Mit zunehmenden Lebensjahren und Belastung degenerieren die Bandscheiben. Das bedeutet, es treten Abnutzungserscheinungen auf: Der Faserring bildet Risse und die geleeartige Flüssigkeit wird weniger. Sie kann nur schlecht vom Körper nachgebildet werden. Wenn der äußere Faserring zu stark beschädigt ist und sogar einreißt, dann tritt der weich-flüssige Bandscheibenkern aus. Abhängig davon, ob sich der Riss innen oder außen befindet, kann der Bandscheibenkern auf das Rückenmark oder auf die außen liegenden Nerven drücken und so Beschwerden verursachen. Zu den Risikofaktoren, die die Entstehung von Bandscheibenvorfällen begünstigen, zählen Übergewicht, Bewegungsmangel, Haltungsfehler, Fehlbelastung und wiederholte ruckartige Bewegungen wie beim Heben von schweren Lasten.

Wie macht sich ein Bandscheibenvorfall bemerkbar?

Die Symptome, die ein Bandscheibenvorfall auslösen kann, hängt von seiner genauen Lokalisation ab.

Bei einem Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule (Nackenbereich) sind hauptsächlich die Bandscheiben zwischen dem fünften und dem sechsten Halswirbelkörper (HWK 5/6) oder dem sechsten und dem siebten Halswirbelkörper (HWK 6/7) betroffen. Dieser sogenannte zervikale Bandscheibenvorfall verursacht Symptome wie Nacken- oder Schulterschmerzen. Weil schon im Nackenbereich Nerven zu den Armen ziehen, können diese Schmerzen in den Arm ausstrahlen. Außerdem können Muskelschwäche, Taubheits- und Kribbelgefühl im Nacken, in den Schultern und Armen auftreten. Der Bandscheibenvorfall kann in diesem Bereich auch Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Bewegungseinschränkungen im Nacken auslösen.

Ein Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule ist am häufigsten, er kommt bei 90 Prozent der von einem Bandscheibenvorfall Betroffenen vor. Das liegt daran, dass hier das Körpergewicht besonders stark verlagert wird und als eine zusätzliche Belastung auf die Wirbel drückt. Es sind insbesondere die Bandscheiben zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbel (L4/L5) oder zwischen dem fünften Lendenwirbel und dem ersten Steißbeinwirbel (L5/S1), die beschädigt sind.

Wenn der herausfließende Bandscheibenkern auf die Nervenwurzel im Lendenbereich drückt, können starke Schmerzen im unteren Rückenbereich auftreten. Manche Patienten klagen über Schmerzen in den Beinen. Denn die Nerven, die die Beinmuskulatur mitversorgen, sind an der Lendenwirbelsäule lokalisiert. Betroffene haben auch Empfindungsstörungen wie Kribbeln, Taubheit. Es kann außerdem zu neurologischen Ausfälle bei der Blasen- und Darmfunktion kommen. Betroffene haben dann zum Beispiel einen häufigen Harndrang. In seltenen Fällen kann es zu einem Kontrollverlust über die Blase und Darm kommen.

Die Beschwerden können als besonders belastend empfunden werden, wenn der Bandscheibenkern auf den sogenannten Ischiasnerv drückt. Es handelt sich hierbei um den dicksten Nerv im menschlichen Körper, dessen Zweige bis zum Fuß verlaufen. Der eingeklemmte Ischiasnervs verursacht Schmerzen, die Patienten als pochend, einschießend oder elektrisierend beschreiben. Die Ärzte sprechen dann von einer Ischialgie. Wenn man Husten oder Niesen muss, werden die Schmerzen durch die ruckartigen Bewegungen sogar stärker.

Wie stellen Ärzte einen Bandscheibenvorfall fest?

Wenn Sie sich mit den oben genannten Beschwerden beim Orthopäden oder Hausarzt vorstellen, führen diese ein ausführliches Anamnesegespräch mit Ihnen. Das bedeutet, sie fragen nach Ihren Symptomen, nach dem Auftreten der Schmerzen und ihrer Intensität. Es folgt eine körperliche Untersuchung. Die Ärzte führen Bewegungstests durch, um neurologische Ausfälle beurteilen zu können. In der Regel reichen diese Untersuchungen aus, um einen Bandscheibenvorfall zu diagnostizieren.

Bildgebende Verfahren, wie Röntgen- oder MRT-Aufnahmen, ordnen Ärzte nur dann an, wenn sie auffällige Lähmungserscheinungen feststellen, Blasen- und Darmfunktion eingeschränkt sind oder trotz Behandlung keine Besserung der Symptome eintritt. In den allermeisten Fällen lassen sich die Beschwerden bei Bandscheibenvorfällen mit den heutigen Behandlungsmöglichkeiten gut lindern.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei einem Bandscheibenvorfall?

Bei den Therapiemöglichkeiten unterscheidet man zwischen den konservativen (nicht-invasiven) und den operativen Behandlungsmethoden.

Konservative Therapien

Ziel der konservativen Behandlungsmöglichkeiten ist es, die Mobilität des Patienten durch ein gezieltes Muskeltraining und Schmerztherapie aufrechtzuerhalten. Auch wenn man starke Schmerzen hat, ist eine Schonung oder Bettruhe nicht hilfreich, sondern führt zum Muskelabbau und damit zur erhöhten Belastung der Wirbelsäule.

Ärzte empfehlen vor allem Physiotherapie. Sie sollte entweder im Rahmen einer ambulanten Betreuung oder während eines Reha-Aufenthalts erfolgen. Die Physiotherapeuten zeigen schmerzfreie Übungen, die gezielt den Muskelaufbau in der betroffenen Region fördern. In der Rückenschule erhält man wichtige Informationen zur Korrektur der Körperhaltung und richtiges Heben von schweren Lasten. Auch Meditationsübungen, die zur Tiefenentspannung beitragen und damit auch Muskelverspannungen lösen, können hilfreich sein.

Zudem soll weiterhin Sport getrieben werden. Zu den empfohlenen Sportarten, die als bandscheibenfreundlich gelten, zählen Laufen, Aerobic, Schwimmen oder Tanzen. Sportarten, die die Wirbelsäule mit ruckartigen Stößen belasten, sollten gemieden werden. Zu diesen Sportarten gehören Tennis, Handball, Turnen, Kampfsport oder Volleyball. Welche sportliche Aktivitäten für Sie geeignet sind, können Sie mit Ihren behandelnden Ärzten oder Physiotherapeuten klären.

Bei der Thermotherapie wird der entkrampfende Effekt von Wärmebehandlungen auf die Muskeln genutzt, um die tiefen Rückenmuskeln zu entspannen. Dadurch sinkt der Druck auf die Rückennerven. Um Spannungen zu lösen, können auch manuelle Therapie (Massagen), Akupunktur oder die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) eingesetzt werden. Bei TENS handelt es sich um Elektroden, die auf die Haut platziert werden. Niedrigschwellige elektrische Stöße führen zur Nerven- und damit zur Muskelentspannung.

Der Ablauf der Schmerztherapie wird ärztlich überwacht. In den meisten Fällen verschreiben sie Medikamente, die nicht nur schmerzlindernd sind, sondern auch entzündungshemmend. Nur bei sehr starken Schmerzen können ausnahmsweise Opioide verordnet werden. Es gibt auch Medikamente, die zur Muskelentspannung beitragen (Muskelrelaxantien) und so starke Verspannungen lösen.

In der Regel klingen Beschwerden nach sechs Wochen konservativer Therapie ab. Sogar die heftigen Ischiasbeschwerden können gelindert werden. Dieser Behandlungsweg zielt demnach darauf ab, mit den Beschwerden umgehen zu können und weiterhin körperlich aktiv zu bleiben. In seltenen Fälle erreichen konservative Therapiemöglichkeiten ihr gesetztes Ziel nicht, sodass eine Operation als nächster Schritt infrage kommen muss.

Operative Therapien

Wenn konservative Therapiemöglichkeiten die Schmerzen nicht lindern und die Lebensqualität des Patienten stark eingeschränkt ist, erwägen Ärzte eine Operation. Für die Bandscheiben-OP, Nukleotomie oder Sequestrektomie genannt, stehen Ärzten verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.

Bei der häufig durchgeführten mikrochirurgischen Nukleotomie entfernen Chirurgen mithilfe eines Operationsmikroskops Gewebe des Bandscheibenkerns, das ausgetreten ist und die Nerven komprimiert. Diese Operationstechnik verringert das Risiko einer Vernarbung oder Verklebung. Die kleinen Hautschnitte können problemlos wieder zugenäht werden.

Ein weiteres minimal-invasives Verfahren ist die endoskopische Nukleotomie. Mit einem videoüberwachten Endoskop erreichen die Chirurgen das betroffene Segment. Allerdings ist die endoskopische Technik nicht immer geeignet. Beispielsweise, wenn sich Teile des Bandscheibengewebes gelöst haben und in ein anderes Segment gerutscht sind oder der Zugang zum betroffenen Segment (meist Übergang von Lendenwirbel- zur Sakralwirbelsäule) vom Beckenkamm versperrt wird.

Bei der sogenannten offenen Nukleotomie benötigen Chirurgen größere Hautschnitte, um den Zugang zur Wirbelsäule zu vergrößern. Sie wird nur durchgeführt, wenn Fehlbildungen der Wirbelsäule festgestellt wurden, die operativ korrigiert werden müssen.

In jedem Fall muss operiert werden, wenn der Faserring der Bandscheibe nach innen gerissen ist oder die Ärzte eine Lähmung feststellen.

Nach Operation empfehlen Chirurgen eine schnelle Mobilisation und eine stufenweise Steigerung der Belastung auf die Wirbelsäule.

Verlauf und Prognose eines Bandscheibenvorfalls

Ein Bandscheibenvorfall lässt sich heutzutage gut behandeln. Viele Patienten berichten, dass die Beschwerden von alleine weggehen. Das liegt daran, dass der Körper selbst mit Fresszellen Gewebeteile abbaut, die aus der Bandscheibe ausgetreten sind. Oder Teile des Bandscheibenkerns, die die Nerven stören, haben sich gelöst und sind weggerutscht, sodass sie keine Nerven mehr komprimieren.

Auch wenn Patienten keine Schmerzen mehr empfinden, raten Ärzte ihnen zu Physiotherapie und anderen konservativen Therapien, um weiteren degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule vorzubeugen.

Quellen 

Apothekenumschau. Bandscheibenvorfall: Symptome, Diagnose, Therapie. 2017. https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/gelenks-und-knochenerkrankungen/bandscheibenvorfall-symptome-diagnose-therapie-740735.html. Zuletzt abgerufen am 09.05.2022. 

AWMF online. Leitlinie zur konservativen, operativen und rehabilitativen Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik. 2021. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/033-048l_S2k_Konservative-operative_rehabilitative-Versorgung-Bandscheibenvorfall-radikulae_2021-06.pdf. Zuletzt abgerufen am 09.05.2022. 

Krämer R, Matussek J, Theoridis T. Bandscheibenbedingte Erkrankungen. Ursachen, Diagnose, Behandlung, Vorbeugung, Begutachtung. 2014.