
Auf der Online-Pressekonferenz, die im Vorfeld der 27. Jahreskonferenz der Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik stattfand, äußerte sich Prof. Dr. Georgi Wassilew kritisch gegenüber Allergie-Implantaten.
Text von Lukas Hoffmann
„Das Thema ist eine große Blase“, sagte Prof. Dr Georgi Wassilew, Direktor der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie an der Universitätsmedizin Greifswald. Etwa zehn Prozent der Primärendoprothesen seien bereits hypoallergene Implantate. Dabei seien die Gefahren beim Einbau einer solchen Prothese größer als der nachgewiesene Nutzen.
Mithilfe eines Lymphozytentransformationstests (LTT-Test) oder eines Epikutantests (Pflastertest auf der Haut) können Patienten prüfen, ob ihr Immunsystem überempfindlich auf bestimmte Stoffe, wie beispielsweise Metalle oder Bestandteile von Knochenzement, reagiert. Das Problem: Der LTT-Test kann zwar eine Allergie gegenüber Nickel, Chrom oder Kobalt anzeigen. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass man auch eine Implantatallergie hat, betonte Wassilew und bezog sich dabei auf neue Forschungsergebnisse. „Eine positive Reaktion auf Modeschmuck oder ein auffälliger Epikutantest bedeuten zunächst nur, dass eine Sensibilisierung der Haut vorliegt“, sagte Wassilew. „Ob der Körper später auf ein Implantat reagiert, lässt sich jedoch nicht vorhersagen – das zeigt sich erst, wenn das Material tatsächlich im Körper ist.“
Wassilew empfiehlt deshalb, dass nur Patienten, die bereits allergische Reaktionen auf Implantate hatten oder an Allergien gegen Nickel, Chrom oder Kobalt leiden, vor der OP weitere Tests machen. Patienten mit einer unauffälligen Allergie-Vorgeschichte würde er von der Testung abraten. Allergie-Implantate seien keine Standardimplantate. Deshalb habe der Operateur beim Einsetzen eine geringere Praxiserfahrung, was Komplikationen begünstige. Tatsächlich liege die Rate der nachgewiesenen Metallallergien gegen eingesetzte Prothesen im Promillebereich. Einer von 1000 oder einer von 2000 Patienten habe eine Metallallergie, schätzte Wassilew.

Viel häufiger muss ein Implantat wegen einer Infektion gewechselt werden. Und hier könne man als Patient im Vorfeld der Operation einiges tun, sagte Prof. Dr. Robert Hube, Leitender Arzt an der Klinik für Orthopädische Chirurgie München (OCM), der ebenfalls auf der Online-Pressekonferenz sprach. „Wenn an einem künstlichen Gelenk eine Infektion entsteht, ist das immer mit einer Operation verbunden“, erklärte Hube. Denn an der Prothese findet keine natürliche Körperabwehr statt. Anders als bei einer Lungenentzündung, die durch ein Antibiotikum bekämpft werden kann, weil dieses über den Blutkreislauf an die Bakterien gelangt, ist die Prothese nicht durchblutet.
„Infektionen sind im Kniebereich für 15 Prozent und im Hüftbereich für etwa 18 Prozent aller Folgeeingriffe verantwortlich“, sagte Hube. Durch präventive Maßnahmen vor der Operation könne die Infektionsrate aber halbiert werden. „Da sprechen wir von 50 Prozent“, sagte er.
Was kann ich als Patient oder Patientin tun, um das Infektionsrisiko zu verringern?
Sowohl Methicillin-resistente als auch Methicillin-sensible Staphylococcus aureus (MRSA bzw. MSSA) sind Bakterien, die auf der Haut und den Schleimhäuten vieler Menschen vorkommen. Wenn sie während einer Operation in das OP-Gebiet gelangen, können sie im Nachhinein eine Infektion verursachen. Deshalb führen viele Kliniken vor der OP ein MRSA/MSSA-Screening durch. Finden Labormediziner Keime, ordnet das Klinikum Maßnahmen zu ihrer Beseitigung an.
→ Für Patienten bedeutet das: Zum Screenings in die Klinik gehen und sich vom medizinischen Mitarbeiter Abstriche aus Nase und Rachen nehmen lassen. Die Ergebnisse liegen in der Regel nach ein bis zwei Tagen vor.
Je nach Klinikum gibt es auch bestimmte Dekolonisierungsprogramme. Dabei werden die Bakterien, wie der Name schon sagt, dekolonisiert, also beseitigt. Die Nase ist ein Lieblingsort für Keime. Durch das Auftragen einer Nasensalbe an die Innenseite jedes Nasenlochs vor der OP kann die Zahl der Staphylococcus-aureus-Bakterien in der Nase stark reduziert oder vorübergehend sogar ganz eliminiert werden. Staphylococcus aureus sitzen auch in den Achseln, in den Leisten, am Bauch, am Rücken und an den Beinen. Deshalb geben manche Kliniken antiseptische Lösungen zur Ganzkörperwaschung aus.
→ Für Patienten bedeutet das: Dekolonisierungsprogramm der Klinik einhalten, also Nasensalbe nehmen und mit antiseptischer Lösung duschen, sofern dies vom medizinischen Personal der Klinik vorgegeben wird.
Und wenn Ihnen als Patient oder Patientin kein entsprechendes Programm angeboten wird? Dann lohnt es sich, nachzufragen. Denn auch dies wurde auf der Online-Pressekonferenz betont: Die Eigeninitiative der Patienten ist ein entscheidender Faktor für die gelingende Operation.
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